In dem Artikel zur Lage der Kitas und Kindergärten berichtete der GEA, dass auch in Reutlingen 15 Prozent der Erzieherinnen- und Erzieher-Stellen vakant seien und 29 Prozent der Einrichtungen im vergangenen Jahr die Öffnungszeiten reduzieren mussten. Arme Eltern, die kein Back-up haben!
Nun soll durch Quereinsteiger, die nach einer vorhandenen Berufsausbildung eine auf zwei Jahre verkürzte Ausbildungszeit haben, Abhilfe geschaffen und so der Betreuungsschlüssel angehoben werden. Zu den Fragen, die sich daran anschließen nur so viel: Es mag engagierte und pädagogisch-menschlich sicher kompetente Quereinsteiger geben, aber reichen da wirklich zwei Jahre Ausbildungszeit, um den pädagogischen Auftrag an den Jüngsten in unserer Gesellschaft zu erfüllen?
Die moderne Wissenschaft sagt, es sind die frühen Jahre der Kindheit, die entscheidend sind für das weitere Leben eines Menschen. Bräuchte es folglich dort nicht die besten Pädagogen mit der besten Ausbildung? Den Fortschritten der letzten 20 Jahre in dieser pädagogischen Arbeit der Vorschulkinder sollte deshalb »keine Rolle rückwärts« folgen, von dem pädagogischen Auftrag zurück zur Betreuung. Der Artikel »Kita-System vor dem Kollaps«, in dem die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Gabriele Müller zu Worte kam, macht das deutlich.
Aber ein Zweites zwischen den Zeilen Stehendes, ließ mich fast noch mehr erschrecken. Was ist nur in den verschiedenen Ebenen unserer Stadtverwaltungen los? Ich denke, bei jedem hier in Deutschland ist angekommen, dass wir in schwierigen Zeiten leben. Die Finanzmittel werden knapper. Und was geschieht? Es werden Beschlüsse von der Stadt gefasst, wie es im Artikel hieß, die kaum Widerstand hätten, und bei denen vonseiten der Belegschaft, Fachkräfte der Erziehung, mit mehr Widerstand gerechnet worden wäre. Interessant, dass von der Belegschaft zu hören ist, viele von ihnen hätten erst durch die Presse von den Beschlüssen gehört. Stimmt hier etwas mit der Kommunikation nicht? Das wäre fatal. Aber es kommt noch schlimmer.
Die Fachkräfte des Erziehungswesen seien beim GEA gewesen und wollten ihre Namen nicht öffentlich preisgeben, da die Stadt schließlich der Arbeitgeber sei! Spürt man da Druckausübung, wenn so ein Gedanke bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lebt. Haben die Mitarbeiter in den Stadtverwaltungen in den letzten Jahrzehnten in ihren Aus- und Fortbildungen nicht auch, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, gelernt, wie Personalführung geht? Wird jetzt wieder das alte hierarchische Modell, von oben nach unten durchdrücken, bedient? War man nicht schon so weit in der Teambildung, die Mitarbeiter mitzunehmen, auch bei schwierigen Entscheidungen, um so eine größere Akzeptanz, damit ein besseres Arbeitsklima und folgend daraus bessere pädagogische Arbeit zu gewährleisten?
Die Situation ist schwierig, es gibt zu wenig Geld und zu wenig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um nun nicht eine Rolle rückwärts im Personalbereich zu machen, wäre es da nicht sinnvoll, alle in transparenten Prozessen mitzunehmen, so wie es Gabriele Müller auch für den pädagogischen Bereich schreibt, in »durchdachten Teamentwicklungsprozessen«? Nur Mut, liebe Verwaltungen in Reutlingen und Tübingen, denn auch von dort ist in der Teamarbeit Ähnliches zu hören. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen um die Probleme unserer Zeit, nehmt sie mit. Zum Nutzen des Arbeitsklimas und für eine qualitative Pädagogik für die Jüngsten.
Rainer Jochens, Pfullingen
