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Aktuell Leserbrief

»Kann Merz als Wendehals bezeichnet werden?«

Neuverschuldung der Bundesrepublik Deutschland (per E-Mail)

Die CDU und FDP waren sich zu Zeiten der alten Koalition einig, die Schuldenbremse nicht infrage zu stellen. Innerhalb von vier Wochen hat sich das für Merz völlig geändert. So weit die Fakten. Dabei drängt sich berechtigt die Frage auf, ob das alles seitens der CDU/CSU noch verständlich ist. Ganz eindeutig nicht, wenn man stur die Vergangenheit sieht und nur den Tunnelblick hat.

Ich brauche nicht zu beschreiben, wie in beispielloser Geschwindigkeit die Weltpolitik durch Donald Trump und auch Xi Jinping beschleunigt ist. Da kann man der Meinung sein, dass die in die Welt gesetzten Sondervermögen in den Sondierungen zwischen SPD und CDU/CSU kein Grund sein können, die Haltung seitens der CDU zu ändern.

Ich komme nicht umhin zu sagen, die Sondervermögen sind richtig, denn ich mache eine globale Abwägung. Ich finde auch, dass der Sozialstaat aufgebläht ist und die E-Autos und sanierte Häuser sich die Masse der Menschen nicht leisten kann. Doch was wäre die (verheerende) Alternative gewesen? Die Sondierungen wären höchstwahrscheinlich geplatzt, weil Merz neuen Schulden nicht zugestimmt hätte und die SPD Bürgergeld und Mindestlohn nicht geopfert hätte. Und: Die Grünen haben kräftig in einer Art Roulette mitgeredet und sich ihre Zustimmung zur Grundgesetzänderung kräftig bezahlen lassen.

Ich erinnere mich an Merz’ Aussage, Scheitern ist keine Option, denn dann wäre nur noch eine Sondierung zwischen SPD – Die Grünen – Die Linke in einer Minderheitenkoalition geblieben! Über allem hätte das Damoklesschwert von Unregierbarkeit und Neuwahlen ge-schwungen. Ja, Merz hat ziemlich Federn einschließlich Glaubwürdigkeit für eine realistische Perspektive zur Bildung einer Regierungskoalition gelassen. Es ist un-fair, Merz »sein Geschwätz von gestern« vorzuwerfen, da ich keine andere Option wie die jetzige sehe.

Liebe Leserin und Leser, was ist Ihnen lieber, 900 Milliarden Euro die nächsten 12 Jahre zu sparen und mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Regierung mehr aus dieser Wahl zu bekommen, oder in den sauren Apfel zu beißen, die Sondervermögen zu schlucken und eine Regierung aufgestellt zu bekommen. Die Alternative wären französische, portugiesische oder bis vor Kurzem österreichische Verhältnisse! Ja, die Moral, das ist eine andere Sache und sie ist nicht so einfach in der Politik immer in Einklang.

Unsere Pro-Kopf-Verschuldung wird neben den Verschuldungen in den folgenden Koalitionsverhandlungen in vier Jahren um mindestens ein Drittel durch die zwei Schuldentöpfe steigen. Es führt kein Weg vorbei, das ist happig.

 

Joachim Steinmaier, Dettingen