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»Helmut Erdle - das war er wirklich«

Im Gmindersdorf sollen die Erdle-Bauten, errichtet 1950 - 52, abgerissen werden. An ihrer Stelle will die Bosch Wohnungsbaugesellschaft Betonklötze hinstellen. Nach dem »Runden Tisch« über die Schützenswürdigkeit der Erdle-Bauten haben die Abrissbefürworter schlechte Karten. Nun soll der Architekt und Städteplaner Helmut Erdle (1906 - 91) als Nazi diskreditiert werden, um so den Abriss der letzten Erdle-Siedlungshäuser im Regierungsbezirk Tübingen zu rechtfertigen. Helmut Erdle wurde am 14. Januar 1906 in Dresden geboren. Von 1923 - 25 studierte er an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Dortmund. Bei Professor Heinz Wetzel war er Hauptassistent an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Das Anliegen von Erdle war es, auch während des 3. Reiches, gute Architektur zu schaffen. Auch setzte er sich für den Städtebau ein. Während der Nazizeit konnte Erdle als Architekt im Siedlungsbau eine »Nische« finden, da die Nationalsozialisten dem keine hohe Beachtung schenkten. Nach dem Hitler-Mussolini-Pakt im Jahr 1939 baute er Heimkehrersiedlungen für Tiroler, die nicht in Italien leben wollten. Helmut Erdle war Leiter der Planungsabteilung für die Gaue Tirol und Vorarlberg in Innsbruck. In dieser Funktion hatte er dauernd Auseinandersetzungen mit dem Büro Speer. Albert Speer war Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt Berlin und ab 1942 zunächst Reichsminister für Bewaffnung und Munition, leitete er bis zum Kriegsende die Kriegswirtschaft des Deutschen Reiches. Trotzdem konnte Erdle verhindern, dass die Innenstadt von Innsbruck abgerissen und durch Speers Naziarchitektur ersetzt wurde. Nach dem Disput mit dem Büro Speer wurde Erdle zur Verhaftung ausgeschrieben. Der Verhaftung konnte er sich nur entziehen, indem er sich freiwillig zur Front meldete.

Schon 1946 wurde Erdle, im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens, als Mitläufer eingestuft. Sofort nach dem Krieg konnte er als Siedlungsbauer und Architekt im Rahmen des Marshallplanes Wiederaufbaumaßnahmen leiten. Die Alliierten hätten nicht zugelassen, dass für den Marshallplan ehemalige Naziarchitekten hätten tätig werden können. Erdle stand nach dem Krieg in Freundschaft und gutem Kontakt mit vielen jüdischen Künstlern und Intellektuellen. Es seien nur genannt: Künstlerin Gerda Goldschmidt, Architekt Erich Mendelsohn, Familie Kahn, Hans Scharoun und sein langjähriger Mitarbeiter, Gartenarchitekt Hans Stieglitz. Sein Freund, Stuttgarts Oberbaudirektor Hans Döcker, saß im KZ, genauso wie sein Freund Otto Schenk, mit dem er in der Nachkriegszeit die Architekturlinie »Ligne et Couleur« begründete. In dieser Vereinigung war er Präsident. Durch seinen Einsatz konnte Erdle verhindern, dass die Ruine der Berliner Gedächtniskirche abgerissen wurde.

Die Ernennung zum Mitglied in die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung erhielt Erdle 1959. Erdle wurde mehrmals mit dem Paul Bonatz- Preis ausgezeichnet. Vom Land Baden Württemberg wurde Helmut Erdle 1987 der Ehrentitel »Professor« verliehen. Der Architekt des Reutlinger Rathauses, erbaut 1963 - 66, Wilhelm Tiedje, war Student bei Helmut Erdle. Am 25. Juni 1991 stirbt Helmut Erdle in Leonberg.

Holger Lange, Reutlingen