Die Bundesregierung hatte am Rande des Nato-Gipfels bekanntgegeben, dass die USA von 2026 an in Deutschland wieder Waffensysteme stationieren wollen, die weit bis nach Russland reichen. Darunter sollen Tomahawk-Marschflugkörper mit einer Reichweite bis zu 2.500 Kilometern sein, die technisch gesehen auch nuklear bestückt sein können, sowie Luftabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Hyperschallwaffen. Washingtons Pläne sollen einen Atomkrieg gegen Russland wieder möglich machen. Dieses nukleare Schlachtfeld soll wohl – wie in den 1980er-Jahren – wieder in Europa sein.
In der Ampelkoalition gibt es verteilte Rollen zum Thema. Verteidigungsminister Boris Pistorius hält die geplante Stationierung von Langstreckenwaffen der USA in Deutschland für unverzichtbar.
Außenministerin Annalena Baerbock betonte die angebliche Notwendigkeit des Vorhabens: »Alles andere wäre nicht nur verantwortungslos, sondern auch naiv gegenüber einem eiskalt kalkulierenden Kreml.« Bundeskanzler Olaf Scholz versucht, den Aufrüstungsball erst mal noch flach zu halten, »verspricht stabiles Rentenniveau für Jahrzehnte« und wirbt für einen Lithium-Pakt für E-Autos mit Serbien.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich äußert erst mal Bedenken davor, neue US-Raketen in Deutschland zu stationieren. Er gehe zwar davon aus, dass die Verteidigungsfähigkeit »angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine« verbessert werden müsse. Nur dürften »die Risiken einer Stationierung« nicht ausgeblendet werden. Diese Raketen hätten »eine sehr kurze Vorwarnzeit« und eröffneten »neue technologische Fähigkeiten«. Die russische Regierung hatte am Donnerstag vorletzte Woche davor gewarnt, es gebe »eine breite Palette von Optionen«, um »die effektivste Methode zu finden, um auf die sich verändernden Herausforderungen zu reagieren«. Dass Russland auf diese Stationierungsentscheidung der Nato reagieren wird, ist klar. Ist unserer Bundesregierung eigentlich nicht bewusst, dass sie ein ähnliches Szenario wie beim Nato-Doppelbeschluss Ende 1979 herbeiführt. Mit dem Ende des Ostblocks 1989/90 hat sich die geopolitische Situation, ohne dass ein einziger Schuss gefallen wäre, grundlegend verändert. Was 1979 der Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan war, ist nun der Einmarsch Russlands in der Ukraine im Februar 2022. Nur, im Vorfeld dieses Doppelbeschluss gab noch Verhandlungen der »Supermächte« über Rüstungsbegrenzung und um die »gemeinsame Sicherheit« (KSZE, SALT-II und so weiter). Diese Diplomatie gibt es heute nicht mehr. Aus dem Ministerium von Annalena Baerbock, dem das Diplomatisches Corps unterstellt ist, sind derzeit keine diplomatischen Initiativen bekannt, die aktuelle Zuspitzung durch Gesprächsangebote und Verhandlungen wieder einfangen könnten. Das Werben für verstärkte Abschreckung gegen Russland wäre eigentlich eher vom Verteidigungsministerium zu erwarten gewesen.
Friedfertige Mitmenschen werden sich zur Zeit Gedanken darüber machen, wie man wirkliche Friedensbündnisse aufbaut. Welche Stoßrichtung 1980 ein Krefelder Appell hatte, wie man Demos vorbereitet (diesmal sicher nicht nach Bonn!) und dass es außer Menschenketten noch andere, wirkungsvolle Aktionsformen kleinerer, aber auch größerer Art geben sollte. Es gibt Alternativen zu dieser gegenwärtigen Politik, die nicht naiv sind .
Ludwig Baisch, Eningen
