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Aktuell Leserbrief

»Der Ton ist entscheidend«

Zum Artikel »Unversöhnt, aber friedlich und fair« vom 24. Oktober (per E-Mail)

Ich beziehe mich auf Ihre Berichterstattung zur Bürgerinformationsveranstaltung zur geplanten Ansiedlung von Amazon in Hengen. Ich war nicht vor Ort, möchte jedoch einen Aspekt ansprechen, der aus dem Artikel hervorsticht und aus kommunikationspsychologischer Sicht große Bedeutung hat. In der Veranstaltung soll der Moderator an einen Vertreter des Bürgerforums die Bemerkung gerichtet haben: »Vielleicht können Sie einen kleinen Job abgreifen, wenn Amazon kommt.« Solche Formulierungen wirken – unabhängig von der Intention – überheblich und abwertend und letztendlich parteiisch. Das Wort »abgreifen« stammt aus einem umgangssprachlichen Register, das man eher mit Kleinkriminalität oder unseriösem Vorteilnehmen verbindet. »Kleiner Job« wiederum stellt die berufliche Identität des Gegenübers herab. In der Konfliktarbeit sprechen wir von »dunkler Kommunikation«: Das Gesagte scheint harmlos oder humorvoll, erzeugt aber subtil Abwertung, Gesichtsverlust und Gruppendruck. Genau solche Momente entscheiden darüber, ob Bürgerinnen und Bürger sich ernst genommen fühlen – oder nicht. Bei einer derart sensiblen Frage, die ein Dorf über Jahre prägen wird, ist der Ton entscheidend. Nicht nur was gesagt wird, sondern wie. Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Es geht um die Einsicht, dass Verfahren nur dann Vertrauen schaffen, wenn alle Beteiligten sich respektiert fühlen. Und Respekt wird in Sekunden aufgebaut oder zerstört.

 

Michael Sättler, Eningen