Helmut Schmidt sagte einmal, dass jemand der Visionen habe, besser zum Arzt gehen solle. Es waren einmal mehrere Sitzungen im Reutlinger Gemeinderat. Die Stadtverwaltung stellte ihre Vision von einem emissionsfreien, computergesteuerten Container-Terminal vor. Demnach sollten dort – wie von Zauberhand, bevorzugt nachts – ankommende Güterzüge entladen und die darauf befindlichen Container computergesteuert auf Elektro-Lkw verladen werden, um Fracht bis hin zum Bodensee transportieren zu können. Bereits damals gab es kritische Stimmen aus den Reihen der WiR- Fraktion, soweit erinnerlich auch der Freien Wähler und einer weiteren Fraktion, denen der Schreiber dieses Leserbriefes damals noch angehörte.
Schon damals war bekannt, dass es ähnliche Einrichtungen in Ulm und Horb geben würde, die allerdings beide nicht am Fuße der Schwäbischen Alb, sondern in der Nähe von Autobahnen auf ebener Fläche lagen. Von vornherein keine guten Ausgangsbedingungen für ein weiteres Terminal in Reutlingen. Auch die Fragen nach der Emissionsfreiheit wurden von den damals geladenen Sachverständigen und Experten zukunftsfroh niedergebügelt, indem sie versicherten, dass es in ein paar Jahren schon jede Menge Elektro-Lkw geben werde, die problemlos die Waren dort abholen und über die Alb bis zum Bodensee verbringen könnten. Zero Emission eben.
Jetzt wird das Projekt zurückgestellt, man könnte auch sagen gecancelt. Wie viel das Ganze bisher genau gekostet hat, will augenscheinlich nur die WiR-Fraktion wissen, die Stadt selbst offensichtlich nicht. Steuergeld verpulvert, was soll’s? Was ist schon 1 Million für nichts? Und schon kommt die nächste Vision um die Ecke. Im Rahmen der Regionalbahn kann man das Gelände stattdessen ja quasi als »Geräteschuppen« nutzen. Immerhin sind ja neben dem ursprünglichen Gelände bereits erste Anlagen erkennbar, die dann ja einen Bahnhof ergeben sollen, direkt am Innoport neben dem fabelhaften Gelände von RT Unlimited gelegen. Da geht’s dann um viele weitere Millionen, bei der Regionalbahn gar um Milliarden. Auch hier dürfte wahrscheinlich niemand so richtig wissen wollen, was das Ganze bereits gekostet hat und was es noch kosten wird. Angesichts der sich aktuell immer dynamischer verschlechternden wirtschaftlichen Lage in der Region kann diese Entwicklung nur mit Spannung erwartet werden.
Aber wenn alles insgesamt dann, aus welchen Gründen auch immer, zurückgestellt wird, ist zumindest das Ziel erreicht: Zero Emission eben. Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur die WIR – Fraktion, sondern auch weitere Fraktionen im Reutlinger Gemeinderat intensiv nach dem Verbleib der Gelder fragen und die Öffentlichkeit hierüber lückenlos aufgeklärt wird.
Ingo Reetzke, Reutlingen
