Jedes Jahr die gleiche Diskussion: Innenstadt »stirbt aus«, Rettungsanker kann nur eine längere Öffnungszeit der Gastro-Betriebe sein! Alle, die dies fordern, kommen in der Regel von außerhalb der Innenstadt und haben folglich gefühlt das Recht darauf, wenn sie kommen, dann sollte für 24-Stunden-Bespaßung gesorgt sein.
Dass die Innenstadt mit ihren mittlerweile wieder zahlreichen Kneipen und Außengastros stirbt, ist nicht mehr zutreffend. Sind Sie in den letzten sommerlichen Monaten einmal durch die Innenstadt gelaufen? Auf dem Marktplatz und in den Seitengassen brummte nur so das Leben, mit gut gefüllten Außentischen vor den Kneipen. Am »Bermuda Dreieck« Oberamteistraße/Kanzleistraße dröhnte regelmäßig ab Donnerstagabend die Disco-Musik mit der Kanzlei-Bar um die Wette, bis 23 Uhr.
Nur zur Info: Die gesetzliche Nachtruhe beginnt ab 22 Uhr. Aber jeder Innenstadt-Bewohner ist hier für seine Toleranz bekannt und nimmt auch den Kompromiss bis 23 Uhr eventuell noch in Kauf. Zumal es hauptsächlich das »Nullsechs« betrifft, dass mit seiner lauten Außenbeschallung alle angrenzenden Bewohner die letzten Nerven kostet. Eine Anfrage beim Ordnungsamt beinhaltet folgende Information: »Die Ristobar 06 hat – in teilweiser Verschärfung der allgemeinen Regeln – für die Außenbewirtung Sperrzeiten täglich ab 23 Uhr; nach Eintreten der Sperrzeit dürfen Gäste im Außenbereich nicht mehr bewirtet werden. Folglich hat der Gastwirt sie hereinzubitten und das Hinaustragen ausgeschenkter Getränke zu unterbinden; der Musikbetrieb bei offenen Fenstern und Türen ist ohnehin verboten (Paragraf 3 der Reutlinger Polizeiverordnung). Gastwirte, die nach 22 Uhr (bei geschlossenen Fenstern) Musik über Zimmerlautstärke spielen wollen, müssen eine von einer Fachfirma auf die zulässigen Werte eingepegelte Musikanlage verwenden. Maßgeblich ist hierbei der zulässige Mittelungspegel (nicht zu verwechseln mit den Lärmspitzen) in der Innenstadt von tags 60, nachts 45 dB (A), gemessen am Immissionsort, also zum Beispiel vor Ihrem Schlafzimmerfenster; die Sanitäranlagen von Gaststätten sind für die sich aus den konzessionierten Flächen von Gastraum und Gartenwirtschaft ergebenden Besucherzahlen ausgerichtet. Auf den konzessionierten Flächen des 06 können keine 300 Gäste bewirtet werden.«
So der gesetzliche Sachverhalt. Das fast keine der Regelungen auf das 06 zutreffen, liegt auf der Hand. Was tun? Die bestehende Regelung für die »braven« Restaurants und Bars am Marktplatz, die ja bereits Donnerstag bis Samstag bis 1 Uhr Außengastro machen dürfen, ist ok, aber eine wiederkehrende Nachtdisco, wie sie in der Vergangenheit vorgekommen ist, muss sich nicht wiederholen – deswegen ist die »uneinheitliche« Regelung vom Ordnungsamt gar nicht so schlecht. Außerdem: Mit der Umleitung wegen der Baustelle des Glashauses in der Oberamteistraße ist ab Donnerstag 21 Uhr kein Durchkommen für Anwohner mehr möglich, da die Straße voller Menschen ist.
Wer immer noch gegen ein Sterben der Innenstadt ist und Halligalli machen will, sollte sich an die Musik-Clubs außerhalb der Innenstadt wenden, hier ist die ganze Nacht was geboten. Jeder Nachtschwärmer wird wieder den Kopf schütteln und sagen: Reicht mir nicht!
Aber: Auch in der Innenstadt gibt es (noch) Bewohner, die dann irgendwann schlafen wollen und nein, das sind nicht alles Menschen, die das so hinnehmen müssen, weil sie in der Innenstadt wohnen und deswegen keinerlei Recht auf Nachtruhe haben und die alle nur miese Spaßbremsen sind! Deswegen bitte keine einheitliche Verlängerung der Öffnungszeiten!
Oliver Thelen, Reutlingen
