Wolfgang Laibs Kunst ist vergänglich. Sie lässt sich trinken und essen, sie duftet und ab und an passt das Material auch mal in einige wenige Weckgläser. Mit Milch hat sich der gebürtige Schwabe einen Namen gemacht, er ist durch seine Reis-Kunst bekannt geworden und hat leuchtend gelbe Farbteppiche aus Blütenstaub von Kiefern oder Löwenzahn in den renommierten Museen der Welt ausgestreut.
Auch im Stuttgarter Kunstmuseum strahlt in den kommenden Monaten unter dem Titel »The Beginning of Something Else« ein solches Quadrat aus eigenhändig über Jahre gesammeltem Blütenstaub auf dem Boden eines Ausstellungsraums. Es ist eine von 19 Arbeiten des 73-Jährigen. Darunter finden sich Zeichnungen und Fotos, aber auch raumfüllende Werke Laibs wie der dauerhaft installierte Wachsraum, ein »Milchstein« und Tausende kleine Häufchen aus Reis.
Nicht nur sein in der Kunst wohl einzigartiges organisches Material macht den in Biberach an der Riß wohnenden Laib zu einer Ausnahmeerscheinung in der internationalen Kunstszene. Geprägt ist seine meditative Kunst von der indischen Philosophie. Schon als Kind hatte Laib über seine Eltern, die ein Dorf in Südindien unterstützten, eine enge Beziehung zu dem Land. Laib studierte während seines Medizinstudiums auch Indologie und Sanskrit, er ist dem Land stark verbunden. Er sei aber auch kein Buddhist, betonte er vor der Ausstellungseröffnung am Donnerstag in Stuttgart. »Ich bin frei, ich bin ein Künstler.«
Rund 10.000 kleine Reishügelchen systematisch im Raum verteilt, eine Marmorplatte mit Vertiefung, die mit Milch gefüllt wird, Miniaturhäuser aus Marmor und Reis, die an mittelalterliche Reliquienschreine erinnern und pyramidenartigen Skulpturen aus Bienenwachs - auf den ersten Blick zugänglich sind nicht alle Werke. Eine »richtig große Herausforderung« sei sein Werk, »weil es so anders ist«, sagte Laib einmal. Man müsse ihr auch nicht auf den Grund gehen: »Kunst ist das absolute Gegenteil von Naturwissenschaft«, sagte er nun in Stuttgart. »Ich weigere mich immer, sie zu erklären.« Als roter Faden zieht sich, wenn man so will, der Respekt gegenüber der Natur durch sein Werk. Es lässt sich aber auch einfach nur wahrnehmen.
Homepage zur Ausstellung im Kunstmuseum
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