STUTTGART. Die Führungskrise des VfB Stuttgart um den umstrittenen Präsidenten Wolfgang Dietrich nimmt skurrile Züge an. Kurz vor der auf der Tagesordnung vermerkten Abstimmung über seine Abwahl brach der 70-Jährige die Mitgliederversammlung am Sonntag unter den lautstarken Pfiffen etlicher Anhänger ab – weil die Technik streikte. Zuvor hatten die rund 4500 Anwesenden mehrfach vergeblich versucht, sich mit ihren Handys in ein extra eingerichtetes WLAN des Stuttgarter Stadions einzuloggen, um an Abstimmungen teilnehmen zu können.
Die VfB-Verantwortlichen bekamen die Probleme nicht in den Griff, wodurch auch nicht über die Abwahl von Dietrich abgestimmt werden konnte. Das sei ein weiterer »schwarzer Tag« in der Vereinsgeschichte so kurz nach dem Abstieg, sagte Dietrich, dessen Worte in den Pfiffen und Schmähungen des Publikums teilweise kaum zu verstehen waren. »Uns bleibt daher keine andere Wahl, als festzustellen, dass es leider nicht möglich ist, die Veranstaltung ordnungsgemäß fortzuführen.« Selbstverständlich werde zeitnah eine neue Mitgliederversammlung einberufen.
Frühestens könne eine neue Mitgliederversammlung in drei Wochen einberufen werden, sagte ein VfB-Sprecher am Sonntagabend. Da dieser Termin aber in den Sommerferien Baden-Württembergs liege, wolle man das den Mitgliedern nicht zumuten. »Darum planen wir, die Mitgliederversammlung Mitte September durchzuführen.«
Eine solche Panne hat es in der Historie der Schwaben noch nie gegeben. Die technischen Probleme erregten umso mehr den Unmut der anwesenden Mitglieder, weil durch sie auch die Abstimmung über Dietrichs Zukunft entfiel. In zahlreichen Redebeiträgen hatten sie sich vorab mehrheitlich gegen den in der Kritik stehenden Clubchef ausgesprochen. Für eine Abwahl des 70-Jährigen hätten laut VfB-Satzung mindestens 75 Prozent stimmen müssen.
Die Mitgliederversammlung ging ohne den mit großer Spannung erwarteten sechsten Tagesordnungspunkt zu Ende. Finanzvorstand Stefan Heim hatte zuvor für das Geschäftsjahr 2018 einen Verlust der Fußball AG des VfB von 11,7 Millionen Euro verkündet. Mit Blick auf die gesamte Abstiegssaison 2018/19 hatten die Schwaben unter ihrem Ex-Sportvorstand Michael Reschke Transferausgaben in Höhe von rund 61 Millionen Euro – so viel wie nie zuvor in einer Saison. Die Verpflichtung von Reschke im Sommer 2017 war ein Grund, warum Dietrich bei einem Teil der Anhänger massiv in die Kritik geraten war.
Laut Kriminalpolizei hatte es in letzter Zeit sogar Todesdrohungen gegen Dietrich gegeben. Dennoch war der 70-Jährige bis zuletzt überzeugt, dass eine Mehrheit für ihn gestimmt hätte. »Der Schaden, den die Wenigen damit anrichten, ist groß«, sagte er in einem Redebeitrag am Sonntag. »Es gibt den Spruch: Wenn die Mannschaft gewinnt, war es der Trainer. Wenn die Mannschaft verliert, war es der Präsident.«
Etwas überraschend war, dass aus dem Führungsteam der Schwaben lediglich Dietrichs Präsidiumskollege Bernd Gaiser deutlich gegen eine Abwahl plädiert hatte. Der Vorstand um Sportchef Thomas Hitzlsperger hatte sich dahingehend zurückgehalten. Dietrich ist noch bis 2020 gewählter Präsident des VfB. Der Antrag auf seine Abwahl dürfte aber auch auf der Tagesordnung für die nächste Mitgliederversammlung im September stehen. (dpa)
VfB-Fahrplan für die Saisonvorbereitung