Die Tafeln im Südwesten haben vielerorts ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Rund die Hälfte habe in diesem Jahr einen Aufnahmestopp verhängt, sagte Udo Engelhardt aus dem Vorstand des Landesverbands Tafel BW in Stuttgart. »Kernproblem ist, dass wir zu viele Nachfrager haben und zu wenig Lebensmittel.«
Die Zahl der Inhaber und Inhaberinnen sogenannter Kundenkarten, die Menschen das Einkaufen bei Tafeln erlauben, ist laut Engelhardt seit dem Frühjahr von 150.000 auf rund 225.000 gestiegen. Etwa 60 bis 80 Prozent der Kundinnen und Kunden kämen mittlerweile aus der Ukraine. Da sich durch den großen Zustrom beispielsweise Wartezeiten in den Läden verlängert hätten, seien viele Menschen weggeblieben, die schon länger dabei seien. Aufgrund der Inflation würden nun aber auch sie wieder kommen.
Gleichzeitig kommen Engelhardt zufolge weniger Lebensmittelspenden vom Einzelhandel. Die Supermärkte würden ihr Geschäft immer weiter professionalisieren und die Planung des Lebensmittelbedarfs digitalisieren, so dass es weniger überschüssige Ware gebe.
Das Problem kennt auch Ralph Beck von der Beiertheimer Tafel in Karlsruhe. »Wir waren noch nie so am Limit wie dieses Jahr«, sagte der Marktleiter. Der Laden habe dieses Jahr 40 bis 50 Prozent weniger Frischware im Vergleich zu 2019 bekommen. Man komme nicht umhin, Lebensmittel zuzukaufen - wenn auch nur mit Geldspenden zu genau diesem Zweck, denn grundsätzlich dürfen Tafeln ihren Leitlinien zufolge selbst keine neue Ware kaufen.
Dabei ist die Beiertheimer Tafel in einer vergleichsweise komfortablen Lage. Denn hinter ihr steht der Caritasverband Karlsruhe. »Wenn wir die Caritas nicht hätten als Träger, hätten wir schon lange die Tore schließen müssen«, stellte Beck fest.
Bei dem freien Tafelladen Karlsruher Tafel sind auch ohne Träger im Rücken die Tore noch offen - aber nicht jeder kommt rein. Es gilt ein Aufnahmestopp: Nur wenn sich Kundinnen und Kunden abmelden, können neue dazustoßen. Ein Problem für den ehrenamtlichen Verein ist vor allem die dünne Personaldecke. Die freiwilligen Mitarbeitenden sind laut Vorstandsmitglied Joachim Ruf an ihren Belastungsgrenzen. »Wir schaffen's nicht mehr«, warnte Ruf.
Engelhardt vom Landesverband betonte, dass Ehrenamtsstrukturen nicht beliebig ausgeweitet werden könnten, um die Versorgung bedürftiger Menschen zu garantieren. Dies sei eine staatliche Aufgabe. Von öffentlicher Seite versucht nun die Landesregierung, den stark beanspruchten Tafeln im Südwesten zu helfen. Sie hat sich ein Unterstützungspaket für soziale Einrichtungen überlegt, in dem unter anderem 1,3 Millionen Euro für die Tafeln vorgesehen sind. »Wir sind begeistert. Das ist eine gute Nachricht«, sagte Engelhardt dazu.
Ein Teil des Geldes wird dem Sprecher zufolge in die Landeslogistik investiert, damit Großspenden besser verteilt werden können. Überhaupt sei Logistik ein großes Problem. Denn insbesondere auf dem Land stelle sich die Frage: Wie viele Kilometer fährt man für ein Kilo Lebensmittel, das man gespendet bekommt?
Der größte Teil der Unterstützung wird nach Angaben des Landesverbands jedoch in Nothilfe für die einzelnen örtlichen Tafeln gesteckt und in die gestiegenen Energiekosten, mit denen sie zu kämpfen haben. In vielen Fällen hätten sich die Kosten mehr als verdoppelt. Das betreffe vor allem Ausgaben für Sprit und Kühlgeräte.
Website Landesverband Tafeln BW
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