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Verkehrsminister Hermann rüttelt an Schuldenbremse

Verkehrswende in Gefahr: Minister Hermann muss fürchten, dass der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs steckenbleibt - das Geld wird wegen der Krisenfolgen knapp. Der Grüne rührt deshalb an einem Tabu.

Winfried Hermann
Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), Verkehrsminister von Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod
Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), Verkehrsminister von Baden-Württemberg.
Foto: Bernd Weißbrod

Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann rüttelt angesichts der wirtschaftlich gravierenden Folgen von Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie an der Schuldenbremse. »In dieser Krisensituation, die vom Staat offenkundig viel Schlagkraft verlangt, kann man doch jetzt nicht wie der Bundesfinanzminister sagen, aber jetzt mache ich ernst mit der Schuldenbremse«, sagte Hermann der Deutschen Presse-Agentur in Anspielung auf Christian Lindner von der FDP. Stattdessen müsse massiv in den Umbau der Wirtschaft, den Klimaschutz und die Verkehrswende investiert werden. Der Grünen-Politiker kann sich ein Sondervermögen - wie das für die Bundeswehr - vorstellen.

Hermann sagte, man sei aus der Corona-Krise noch nicht raus und müsse die Folgekosten tragen. »Wir sind in einer schweren Bedrohung durch den Krieg und durch die Ausgaben, die dadurch zustande kommen, und stehen jetzt vor einer Gas- und Energiekrise. Wie viel mehr Anlässe braucht es noch, um nachzudenken, was die richtige politische Antwort ist?« Lindners Ansatz sei in dieser Situation der falsche. Die Schuldenbremse sei »ein Konzept von vor 15 Jahren, als die Staatsverschuldung durch die Decke ging, die Zinszahlungen unermesslich waren und wo man irgendwie mal sagen musste, es ist Schluss«.

Zu einem Sondervermögen sagte der Politiker vom linken Flügel der Grünen: »Ich kann mir das schon vorstellen, wenngleich das nicht ganz leicht ist. Ein Sondervermögen ist eine Verschuldung, nur eben außerhalb des Haushalts.« Hermann sagte weiter: »Aber aus meiner Sicht als Pazifist wäre es klüger gewesen, ein Sondervermögen für Klimaschutz und Friedenssicherung zu machen als für die Aufrüstung und Modernisierung der Bundeswehr.« Die Bundeswehr bekomme schon jetzt sehr viel Geld. »Wir geben fast so viel aus wie Russland fürs Militär und haben offenbar trotzdem keine fähige Armee.« Da könne man auf die Idee kommen: »Wir haben das Geld in der Bundeswehr mit bescheidenem Nutzen versenkt. In modernen, digitalen Zeiten ist, wie ich finde, eine aufgerüstete Armee nicht die einzige Antwort, um Sicherheit und Frieden zu schaffen.«

Hermann forderte die Ampel-Bundesregierung zudem auf, endlich klimaschädliche Subventionen für Diesel- und Dienstwagen abzuschaffen. »Aber auch ordnungsrechtliche Maßnahmen wie das Tempolimit dürfen nicht länger tabu sein.« Der Minister warnte davor, dass Deutschland ohne Investitionen und weitere Maßnahmen seine Klimaziele verfehlen könnte. »Es droht die ganze Transformation zu scheitern, wenn wir uns jetzt nur fokussieren auf Reparaturmaßnahmen bei Corona, auf Reparaturmaßnahmen in der Energieversorgung, weil über Jahrzehnte die falsche Politik gemacht worden ist.« Er forderte, die jetzige Krise als »Transformationsbeschleuniger« zu sehen.

Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz und in der Landesverfassung Baden-Württembergs verankert, demnach sind neue Kredite nur in Ausnahmefällen möglich - etwa im Fall von Naturkatastrophen und anderen Notsituationen. Bund und Ländern haben beispielsweise zur Bewältigung der Pandemie deutlich mehr neue Schulden aufgenommen als sonst erlaubt. Ansonsten gibt es nur einen sehr begrenzten Spielraum. Nur bei einem Einbruch der Konjunktur dürfen etwas mehr neue Kredite aufgenommen werden. (dpa)

Erklärung Bundesfinanzministerium zur Schuldenbremse