Ulm (dpa/lsw) - Vor knapp sechs Wochen sind in der Uniklinik in Ulm fünf Säuglinge mit Morphium vergiftet worden - nun zieht die Klinikleitung erste Konsequenzen. Zum Schutz von Patienten in der Kinderklinik gibt es künftig unter anderem routinemäßige Analysen von Urinproben mit ungewöhnlichem Verlauf. Dazu gehören eine Drogenuntersuchung sowie eine verschärfte Kontrolle des Zugangs zu Betäubungsmitteln - über die gesetzlichen Vorgaben hinaus, wie eine Kliniksprecherin am Donnerstag mitteilte. Die fünf Babys waren in der Nacht auf den 20. Dezember in lebensbedrohlichem Zustand auf die Intensivstation gekommen. Das Ergebnis von Urinproben lag erst Wochen später vor - und ergab Morphinvergiftungen bei allen fünf.
Nachdem eine zunächst dringend tatverdächtige Krankenschwester wieder aus der U-Haft entlassen wurde, wird nun wieder gegen alle sechs Mitarbeiterinnen jener Nachtschicht ermittelt.
Das Landeskriminalamt (LKA) hatte am Dienstag mitgeteilt, dass das Morphium, das vermeintlich in einer Spritze mit Muttermilch im Spind der Krankenschwester gefunden wurde, aus einem Lösungsmittel des Kriminaltechnischen Instituts des LKA stammte. Das LKA hatte dieses falsche Zwischenergebnis der Polizei übereilt und ohne Vergleichsprobe weitergeleitet, was zur Verhaftung der Krankenschwester führte. Dieses Missgeschick hat im LKA noch zu keinem Nachspiel geführt. »Zu weiteren und zusätzlichen qualitätssichernden Maßnahmen in Folge dieses Vorgangs können aktuell noch keine Aussagen getroffen werden«, sagte ein LKA-Sprecher.
In der Kinderklinik soll nach den Angaben der Sprecherin außerdem der Zugang zu den Milchküchen beschränkt werden. Um Kontaminationen zu vermeiden, werden alle Milchfläschchen und Milchspritzen verplombt und die Streifen des Sicherheitsdienstes intensiviert.
Das Universitätsklinikum gab außerdem an, dass die Ergebnisse der Urinuntersuchung der Babys im internen Klinik-Informationssystem am 15. Januar abgerufen wurden - also fast vier Wochen nach der Vergiftung der Kinder. Die Antwort der Rechtsmedizin lag dort schon seit dem 8. Januar vor. »Wir bedauern mit Blick auf die erst im Nachhinein erkennbare möglicherweise strafrechtliche Relevanz der Ergebnisse der von uns beauftragten, zusätzlichen Laboruntersuchungen die einwöchige Verzögerung der Kenntnisnahme«, hieß es in einer Stellungnahme der Klinik. Dies sei für die erfolgreiche Behandlung der Kinder aber ohne Bedeutung gewesen.
Die Staatsanwaltschaft geht von einer vorsätzlichen Tat aus. Alle sechs Klinik-Mitarbeiterinnen, die am 20. Dezember Nachtschicht hatten, wurden von der Universitätsklinik vorläufig freigestellt. Sie bestreiten die Tatvorwürfe. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem Anfangsverdacht wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.