Stuttgart (dpa/lsw) - Pflegekosten sprengen nach Angaben von Verbänden zunehmend das Budget von Betroffenen und ihren Angehörigen. Der Vorsitzende des Sozialverbandes VdK Baden-Württemberg, Roland Sing, sagte am Donnerstag in Stuttgart, dass der durchschnittliche Eigenanteil bei einer stationären Unterbringung im Pflegeheim in Baden-Württemberg nun mehr als 2200 Euro im Monat betrage.
Rund 28 000 Pflegeheimbewohner sähen keinen anderen Weg mehr, als eine finanzielle Hilfe beim Sozialamt zu beantragen - obwohl sie ein Leben lang gearbeitet und in die Sozialversicherungen eingezahlt hätten. »Das bedeutet nichts anderes, als dass den Menschen ein Teil ihrer Würde genommen wird«, sagte Sing.
Der VdK, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Evangelische Heimstiftung forderten die Politik eindringlich auf, die Finanzierung der Pflege auf neue Füße zu stellen. Sie richteten ihren Appell an den Bund, aber auch ans Land. Sing sagte, es fehlten entsprechende Initiativen der Landesregierung. Zudem sei das Land Baden-Württemberg im Jahr 2010 aus der Förderung der Investitionskosten stationärer Heime ausgestiegen. Das müsse nun korrigiert werden.
Der Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, Bernhard Schneider, kritisierte, die 1995 eingeführte Pflegeversicherung übernehme nur einen festen Zuschuss, während die weiteren Kosten an den Betroffenen hängenblieben. Wenn die Pflegeeinrichtungen dann wie vielfach gefordert mehr Mitarbeiter einstellten und diese anständig bezahlten, stiegen die Kosten und damit auch die finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen. »Wenn nichts passiert, fährt diese Pflegeversicherung gegen die Wand.« Schneider, der auch Sprecher der Initiative Pro-Pflegereform ist, forderte, dass die Pflegebedürftigen künftig nur einen festen Sockelbetrag zahlen sollten. Die weiteren Kosten sollten von der Pflegeversicherung übernommen werden.
Das sieht auch Sozialminister Manne Lucha (Grüne) so: »Aktuell gilt: Die Leistungen der Pflegekassen sind gedeckelt, alles darüber hinaus müssen die Pflegebedürftigen aus eigener Tasche bezahlen.« Das müsse umgedreht werden. »Nicht die Kassenleistungen, sondern der Eigenanteil für die Pflegeversicherung muss gedeckelt werden.« Er habe im Bundesrat für so einen Paradigmenwechsel geworben.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat bereits angekündigt, die Debatte über die künftige Finanzierung der Pflege 2020 »zu einer Entscheidung zu führen«. Auf dem Tisch liegt eine Reihe von Vorschlägen - von Bundeszuschüssen bis zu Limits für Eigenanteile. Der Minister strebt mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit bei den Eigenanteilen an. Forderungen nach einer Vollversicherung für die kompletten Pflegekosten hat er abgelehnt. Nach Sings Worten gibt es im Südwesten rund 400 000 pflegebedürftige Menschen. Davon werden etwa 302 000 zu Hause und fast 100 000 in Einrichtungen betreut.