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Tennis als Ablenkung vom Krieg: Lys überrascht in Stuttgart

Vor dem ersten diesjährigen Auftritt von Angelique Kerber stand der Dienstag in Stuttgart im Zeichen der deutschen Talente. Eva Lys ist einer der Namen, an denen sich selbst Tennis-Fans noch gewöhnen müssen. Lys wird ihr WTA-Debüt wohl nicht so schnell vergessen.

Eva Lys
Die Tennisspielerin Eva Lys reagiert im Spiel. Foto: Tom Weller
Die Tennisspielerin Eva Lys reagiert im Spiel.
Foto: Tom Weller

Wie ungewohnt dieser Moment für Eva Lys war und wie viel er ihr bedeutet, wurde klar, als ihre Tennis-Überraschung in Stuttgart perfekt war. Sie zittere noch immer, gestand die 20-Jährige rund zwei Stunden nach ihrem spannenden ebenso wie erfolgreichen Debüt im Hauptfeld eines WTA-Turniers. »Es war immer ein Traum, hier zu spielen«, sagte Lys. Es sei ihr wirklich schwer gefallen, in der Nacht auf Dienstag zu schlafen. Und sie sei beim 5:7, 7:5, 7:5 gegen die rund 300 Weltranglistenplätze vor ihr notierte Schweizerin Viktorija Golubic phasenweise sehr nervös gewesen.

Als sie dann in kurzer Hose, mit überschlagenen Beinen und rot lackierten Fingernägeln Fragen beantwortete, war ihr nicht anzumerken, dass sie ein Neuling auf der WTA-Tour ist. Eindrucksvoll reif sprach sie auf Deutsch und Englisch und bezog klar Stellung, auch zu ihrer Meinung über Themen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Lys wurde in Kiew geboren, ehe sie als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland kam. Verwandte von ihr leben in der Ukraine.

»Da Tennis eine Individualsportart ist, muss man sagen, dass Spielerinnen, die aus solchen Ländern kommen, nicht direkt abgestempelt werden sollen«, sagte Lys. Sie sagte aber auch, dass sie sich von der Damen-Profiorganisation WTA eine Aufforderung an russische Spielerinnen wünschen würde, sich klar zu positionieren.

Ihr selbst helfe Tennis sehr, sich abzulenken. »Sobald ich den Platz verlasse, kann ich nicht leugnen, was passiert, vor allem weil ich durch meine Familie sehr betroffen bin«, sagte die Qualifikantin vom Hamburger Club an der Alster: »Es nimmt einen doch schon mit. Es ist ein Thema, womit wir uns täglich beschäftigen, was meiner Meinung nach weiterhin stark in der Öffentlichkeit stehen sollte.«

Vor einigen Wochen hatte sie ihre Meinung zum Verhalten russischer Profis bei Turnieren kund getan und dies teilweise als »respektlos« kritisiert. Ihre Erfahrungen hat Lys bisher auf kleineren Turnieren gesammelt. Ein solch großes Turnier wie nun in Stuttgart hatte sie noch nie gespielt. Dennoch trat Lys gegen Golubic, die Nummer 38 der Welt, unerschrocken auf. Sie verlor zwar zwischenzeitlich den Fokus. Sie verspielte im ersten Satz ein 4:1 und 5:3. Und sie lag im entscheidenden Durchgang nach einem 4:2 plötzlich wieder zurück. Sie machte aber nach etwas mehr als drei Stunden ihren Einzug ins Achtelfinale perfekt. »Ich bin so geschockt, ich höre gar nichts mehr«, war dann ihre erste Antwort am Mikrofon auf dem Centre Court.

Für die Qualifikation hatte Lys eine Wildcard gebraucht, nun fordert sie im Achtelfinale die Weltranglisten-Erste Iga Swiatek aus Polen heraus. »Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich auf das Match freue. Das ist für mich ein Moment zu sehen, wo ich mit meinem Tennis stehe«, sagte die deutsche Meisterin, die von Platz 342 in der Weltrangliste einen ordentlichen Sprung nach vorn machen dürfte.

Der Dienstag stand beim hochklassig besetzten Hallen-Turnier im Zeichen der deutschen Talente. Auch die Erstrundenpartien von Qualifikantin Nastasja Schunk und Wildcard-Inhaberin Jule Niemeier waren angesetzt. Wie Lys startete Tamara Korpatsch mit ihrem 3:6, 7:6 (7:2), 6:1 gegen die Italienerin Camila Giorgi erfolgreich. Die deutsche Nummer eins, Angelique Kerber, und Laura Siegemund waren spielfrei.

Damen-Weltrangliste

Deutsche in der Weltrangliste

Tableau

Doppel-Tableau

Liste der Turniersiegerinnen in Stuttgart

© dpa-infocom, dpa:220419-99-966931/3