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Tübinger Biotechfirma sucht nach Coronavirus-Impfstoff

Das neuartige Coronavirus macht vielen Menschen Sorge. Und es fordert Forscher heraus - auch in Baden-Württemberg. Die Tübinger Biotechfirma CureVac sucht nach einem Impfstoff.

Ein Mann pipettiert in einem Labor des biopharmazeutischen Unternehmens Curevac eine blaue Flüssigkeit. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Ein Mann pipettiert in einem Labor des biopharmazeutischen Unternehmens Curevac eine blaue Flüssigkeit.
Foto: Sebastian Gollnow/dpa
TÜBINGEN. Dieses Projekt drängt wie kaum ein anderes - erst recht seit der vergangenen Woche. In Baden-Württemberg steigt die Zahl der am neuartigen Coronavirus erkrankten Menschen - einige von ihnen werden in der Tübinger Uniklinik behandelt. Nur wenige Kilometer entfernt bemüht sich das Biotech-Unternehmen CureVac, einen Impfstoff gegen das Virus Sars-CoV-2 zu entwickeln. »Wir arbeiten mit Hochdruck an dieser Sache«, sagt CureVac-Vorstand Florian von der Mülbe. Alle Abteilungen fokussierten sich momentan auf dieses Thema.

Forscherteams weltweit wollen einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 entwickeln. In Tübingen wählen derzeit CureVac-Mitarbeiter den geeignetsten Impfstoff-Kandidaten für eine klinische Studie mit Probanden aus. Denn bevor ein Impfstoff auf den Markt kommt, muss seine Sicherheit und Wirksamkeit am Menschen gezeigt werden. »Wir hoffen, im Frühsommer mit der klinischen Erprobung beginnen zu können«, sagt von der Mülbe.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass erste Impfstoff-Tests an Menschen in drei bis vier Monaten beginnen könnten. Ein zertifizierter Impfstoff für weitreichenden Einsatz stehe aber wohl erst in 18 Monaten zur Verfügung.

»Generell ist die Entwicklung von Impfstoffen ein langwieriger Prozess, bei dem allein die klinischen Prüfungen mehrere Jahre in Anspruch nehmen«, sagt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) im hessischen Langen, dessen Kernaufgabe die Überprüfung und Zulassung von Impfstoffen ist. Im Kampf gegen das Coronavirus berät es zudem Unternehmen bei der Impfstoff-Entwicklung.

»In Fällen wie jetzt beim Sars-CoV-2 und nachdem die WHO den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hat, haben wir als Regulatoren die Möglichkeit, Impfstoff-Projekte bevorzugt zu behandeln und bei aller gebotenen Sorgfalt schnelle Entscheidungen zu treffen«, sagt Cichutek. Schon in wenigen Monaten könnte mit klinischen Prüfungen der Phase 1 von Coronavirus-Impfstoffen in Deutschland begonnen werden - sofern die erforderlichen präklinischen Daten dies erlaubten. In dieser Phase geht es vor allem um die Sicherheit der Impfstoffe und um ihre Fähigkeit, das Immunsystem zu einer spezifischen Abwehrreaktion anzuregen.

Ende Januar erteilte die internationale Impfstoffkooperation CEPI den Tübingern die Zusage für eine Förderung von 8,3 Millionen US-Dollar (rund 7,5 Millionen Euro), um einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu finden, herzustellen und in Studien zu prüfen. CEPI ist eine öffentlich-private Allianz, das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist Gründungsmitglied. Weltweit unterstützt CEPI mehrere ähnliche Initiativen.

CureVac hat neben seinem Hauptsitz in Tübingen Standorte in Frankfurt am Main und Boston (USA) - und insgesamt 460 Mitarbeiter, die meisten davon in der schwäbischen Universitätsstadt.

Das Unternehmen setzt für einen Impfstoff auf den natürlichen Botenstoff mRNA, wobei »m« für »messenger« (Bote) und RNA für Ribonucleinsäure (ribonucleic acid) stehen. Der Botenstoff kommt in jeder menschlichen Zelle vor. Von der Mülbe beschreibt das Vorgehen seines Unternehmens so: »Der Botenstoff enthält den Steckbrief des Feindes, den wir dem Körper übergeben.« Damit wisse das Immunsystem, dass nach den Informationen auf dem Steckbrief gesucht werden müsse, und der Körper könne seine Abwehrmechanismen anwenden.

CureVac bekam dafür die genetische Information des neuartigen Coronavirus, die bereits wenige Wochen nach Bekanntwerden des Erregers ermittelt wurde. Darin stecken alle Informationen, die das Virus für seine Vermehrung braucht - auch für die Herstellung jener Bestandteile, auf die der Körper nach einer Impfung mit der Bildung von Antikörpern und anderen Abwehrstoffen reagiert.

Das Coronavirus nutzt ein Protein in seiner Hülle, um in menschliche Zellen einzudringen. Auf dieses Protein konzentrieren sich die Impfstoff-Entwickler. Die Bauanleitung für das Hüllprotein von Sars-CoV-2 verpacken die CureVac-Forscher in Nanopartikel, die die mRNA in die Zellen liefern. Körperzellen bilden dann das Hüllprotein und präsentieren es auf ihrer Oberfläche, woraufhin das Immunsystem mobilisiert wird. Auch in China arbeitet die Schanghaier Tonji Universität gemeinsam mit dem Unternehmen Stermirna Therapeutics an einem mRNA-Impfstoff, wie die Nachrichtenagentur Xinhua meldete.

CureVac hat mit dieser Methode schon an der Entwicklung von mRNA-basierten Tumor-, Grippe- oder Tollwut-Impfstoffen gearbeitet. Laut von der Mülbe kann das Unternehmen unabhängig von der Art eines neuen Virus auf seine immer gleichen Prozesse zur mRNA-Herstellung zurückgreifen - und deshalb klinische Versuche innerhalb weniger Monate anstoßen.

Auch ein Team der Münchner Universität arbeitet in Kooperation mit einer Gruppe um den Virologen Stephan Becker von der Universität Marburg an einem Impfstoff. Sie nutzen als Transporter für das Hüllprotein ein Virus, das Menschen nicht krank macht. Es dringt nach der Impfung in Zellen ein und bildet das Hüllprotein, das vom Immunsystem erkannt wird. Die Konstruktion des Impfvirus und erste Produktionsschritte seien voraussichtlich bis Ende März abgeschlossen, sagte Becker kürzlich. (dpa)