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Tübingen bekommt ökologische Waldtoilette für Wanderer

Etwas Ältere erinnern sich vielleicht an die Plumpsklos von Großeltern. Eine ökologische Variante davon können Wanderer in Tübingen nun nutzen.

Ökologische Waldtoilette
Frauen gehen an einer ökologischen Waldtoilette, die am Rande eines Wanderwegs steht, vorbei. Foto: Marijan Murat
Frauen gehen an einer ökologischen Waldtoilette, die am Rande eines Wanderwegs steht, vorbei.
Foto: Marijan Murat

Wenn man als Wanderer mal dringend muss und es weit und breit keine Möglichkeit gibt, die Notdurft zu verrichten, hat man ein Problem. Diejenigen aber, die am Premiumwanderweg oberhalb des Tübinger Stadtteils Unterjesingen unterwegs sind, können sich seit Sonntag in einer ökologischen Waldtoilette erleichtern. In die Wege geleitet hat das Pilotprojekt Ortsvorsteher Michael Rak. »An dem Rundwanderweg hatte sich entlang der sechs Kilometer langen Strecke ein Toilettenpapiersyndrom entwickelt«, sagte Rak zur Begründung. Eine Lösung musste her. Die Trockentoilette befindet sich im Bereich Obere Gögenhalde und wird sechs Monate erprobt. Als Vorbild dienten Trockentoiletten, die unter anderem in Afrika schon lange zum Einsatz kommen. Die Kosten für den Versuch in Höhe von rund 200 Euro im Monat trägt Unterjesingen aus dem Ortschaftsbudget.

Die ein Meter breite, 1,20 Meter tiefe und 2,30 Meter hohe Waldtoilette ist aus Lärchenholz, in ihrem Innern ist ein Podest mit einem Klodeckel. Unter ihm ist ein Behälter, in dem die menschlichen Exkremente gesammelt und voneinander getrennt werden. Nach dem »Geschäft« sollen die Nutzer mit einer Schaufel Sägespäne über die Notdurft streuen. »Das verhindert die Geruchsentwicklung und es trocknet schneller«, sagt Rak. Die Toilette hat laut dem Böblinger Hersteller »Klos to Nature« 3900 Euro gekostet. Ein Behälter reiche für rund 200 Anwendungen, sagte Geschäftsführer Cornelius Patzer. Der Urin geht in die nächste Kläranlage, der Kot wird laut Patzer in einer Verwertungsanlage in Brandenburg entsorgt.

Das Deutsche Wanderinstitut in Marburg beobachtet das Tübinger Pilotprojekt mit Spannung. Laut dem Vorsitzenden Klaus Erber ist die Toilettensituation entlang der Wanderwege tatsächlich ein Thema und habe sich mit der Corona-Pandemie verschärft. »Durch Corona ist eine unglaubliche Zahl an Menschen hinzugekommen, die sich für das Wandern begeistern.« Ihn erreichten viele Anfragen von Betreibern von Premiumwanderwegen, wie man die vielen Taschentücher entlang der Wege verhindern könnte. »Das Hauptproblem aus meiner Sicht liegt am Startpunkt der Wanderwege«, sagt Erber. Die Menschen reisten mit ihren Autos an, vielfach seien sie dabei eine Stunde unterwegs. »Wenn sie dann am Startpunkt sind, brauchen sie eine Toilette. Der Mann geht zum nächsten Baum, ansonsten liegen Papiertaschentücher herum«.

Den unvermeidbaren Toilettengang eines Wanderers hat unter anderem Albstadt im Zollernalbkreis mit der »Netten Toilette« anders gelöst. Dieses Konzept ist mittlerweile in ganz Deutschland verbreitet. Dabei werden die Gastronomen der Stadt, in Albstadts Fall die Gastronomen an den Wanderwegen, mit eingebunden. Die Gastgeber stellen ihre täglich gereinigten und gepflegten Sanitäranlagen kostenfrei und öffentlich zur Verfügung und erhalten im Gegenzug ein monatliches Serviceentgelt von der Stadt.

Aktuell gibt es laut dem Deutschen Wanderinstitut rund 760 Premiumwege von Dänemark bis Südtirol, von Belgien bis Salzalpen. Davon befindet sich mit etwa 730 der überwiegende Teil in Deutschland. In Baden-Württemberg gibt es zurzeit rund 140 Premiumwanderwege, davon 110 Premium-Rundwanderwege, 7 Premium-Streckenwanderwege und 23 Premium-Spazierwanderwege.

»Das Pilotprojekt ist sicherlich sinnvoll und kann helfen, dass weniger menschliche Hinterlassenschaften in der Natur landen«, sagte der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle.

Deutsches Wanderinstitut - Premiumwanderwege in Baden-Württemberg

© dpa-infocom, dpa:220903-99-618776/4