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Töten, aufschneiden, wegwerfen? Streit um Tierversuche

Muss ein Student einen Frosch sezieren, um ein guter Biologe werden zu können? Nein, meinen die Grünen - und wollen Tierversuche in der Lehre beschränken. Die Forschung rebelliert - die CDU ebenso.

Landtagssitzung Baden-Württemberg
Abgeordnete nehmen an einer Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg teil. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild
Abgeordnete nehmen an einer Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg teil. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

STUTTGART. Die Grünen im Landtag halten Tierversuche in der wissenschaftlichen Ausbildung für verzichtbar. Sie wollen deshalb Experimente mit getöteten Tieren mit einer Gesetzesnovelle deutlich beschränken - gegen den Widerstand der Wissenschaft und des Koalitionspartners. Die Fronten sind verhärtet: Die Grünen lehnen eine Entschärfung des geplanten Paragrafen ab, auf den man sich auch längst geeinigt habe. Die CDU sieht - wie auch Universitäten - den Wissenschaftsstandort und die Lehre in Gefahr. Am Mittwoch will der Wissenschaftsausschuss das Gesetz beraten.

Der Hintergrund: Die grün-schwarze Koalition feilt derzeit an einer Novelle des sogenannten Hochschulrechtsänderungsgesetzes. Die Grünen wollen das nutzen, um mit einer Formulierung die Regelungen zu Tierversuchen zu verschärfen. Sie wollen in den Paragrafen §30a hineinschreiben, dass in der Lehre auf die Verwendung von getöteten Tieren verzichtet werden soll, sofern »wissenschaftlich gleichwertige Lehrmethoden und -materialien zur Verfügung stehen« oder die mit dem Studium bezweckte Berufsbefähigung das zulasse. Die Hochschulen sollen zudem Lehrmethoden entwickeln, um Tierversuche zu vermeiden.

Universitäten schlagen deshalb Alarm. Der Universitätsrat der renommierten Agrar-Uni Hohenheim in Stuttgart schrieb vor kurzem, dass der Paragraf die Qualität der baden-württembergischen Hochschulausbildung nachhaltig negativ beeinflussen werde. Im Hinblick auf die Freiheit von Forschung und Lehre stelle das eine zu weitgehende Beschränkung dar, hatte die Landesrektorenkonferenz bereits im Sommer kritisiert. Bereits derzeit seien Tierversuche nur nach einem Genehmigungsverfahren der Landesbehörden zulässig.

Eine solche Passage würde den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg weiter schädigen, kritisiert auch die CDU-Sprecherin für Wissenschaftspolitik im Landtag, Marion Gentes. »Tierschutz in der Lehre darf nicht so weit gehen, dass man die Ausbildung unmöglich macht.« Die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus komme schließlich auch nicht ganz ohne Tierversuche aus. Man habe den Grünen einen Änderungsvorschlag unterbreitet, der eine ethische Güterabwägung zwischen Tierwohl und notwendiger Ausbildung der Fachexpertise vorsieht. Doch die Grünen hätten abgelehnt.

Gentges pocht weiter auf eine Änderung der Novelle, auch wenn man den Koalitionsfrieden durch eine Blockade dieses grünen Herzensanliegens nicht gefährden wolle, sagt Gentges.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat kein Verständnis für den Streit. »Die Sorge um die Freiheit des Wissenschaftsstandorts ist nicht begründbar«, sagt die Grünen-Politikerin. »Die Spielräume bleiben erhalten, auch in der Lehre.« Künftig müssten die Hochschulen mehr erklären, warum ein Tierversuch ohne Alternative sein soll, sagte Bauer. Sie glaube zwar nicht an eine tierversuchsfreie Wissenschaft. Aber: »Ob man ein Tier töten muss, um seine Anatomie zu verstehen, darf man in Frage stellen.«

Tierversuche spielen im Südwesten grundsätzlich eine große Rolle. Im Vergleich der Bundesländer haben Wissenschaftler in Baden-Württemberg 2018 am meisten Tiere für Versuchszwecke genutzt, wie aus einer im Januar veröffentlichten Statistik des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) hervorgeht. Für Aufsehen sorgte der Fall des Hirnforschers Nikos Logothetis, der in Tübingen jahrzehntelang an Affen Tierversuche durchführte, bevor er unter heftige Kritik von Tierschützern geriet. Im Februar erklärte der Wissenschaftler, künftig in Shanghai forschen zu wollen.

Die Grünen im Landtag halten Tierversuche zumindest im Studium für verzichtbar. Höchstens in der Forschung gebe es noch ein paar hochkomplexe Bereiche, in denen keine Alternativen zur Verfügung stünden und in denen man auf Versuche mit Tieren angewiesen sei, sagt der Hochschulexperte der Grünen-Landtagsfraktion, Alexander Salomon. Die Kritik der Hochschulen sei überzogen, es handle sich weder um eine Gefahr für den Hochschulstandort noch seien Studiengänge vom Untergang bedroht.

Salomon zeigte sich überrascht angesichts der Kritik vom Koalitionspartner. Man habe den Paragrafen mit der CDU bereits vor längerer Zeit vereinbart. Es gehe ja nicht um ein Pauschalverbot von Tierversuchen. Die Neuregelung sei notwendig für die, die im Studium keine Tierversuche machen können und wollen. Und: Andere Bundesländer hätten ähnliche Regelungen.

Aus Sicht der Tierrechtsorganisation Peta könnte der Entwurf sogar noch weiter gehen. Es gebe bereits viele anerkannte tierfreie Lehr- und Forschungsmethoden, beispielsweise lebensechte Tier-Modelle oder digitale Simulationen, betont Peta-Fachreferentin und Biologin Anne Meinert. Sie machen Tierversuche überflüssig und seien die Zukunft der Wissenschaft. Die Äußerungen der Uni Hohenheim zeugten von »Rückwärtsgewandtheit statt Fortschritt«. (dpa)