Über ein halbes Jahr nach den Querelen um das Ausweichquartier für die Parlamentarier bei einer Sanierung des Hauses der Abgeordneten wollen Finanzministerium und Landtagsspitze nun eine gemeinsame Lösung finden. In gut einer Woche, am 31. Mai, werde sich das Präsidium mit der Frage beschäftigen, bestätigte ein Sprecher des Landtags der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.
Die Suche nach einem Ausweichquartier während der Sanierung des 1987 errichteten Hauses der Abgeordneten war zuletzt mit einigem Streit verbunden gewesen. Das Vorhaben des Finanzministeriums, drei ältere Häuser abzureißen und mit einem Neubau Platz für Abgeordnetenbüros in Zentrumsnähe zu schaffen, wurde im Oktober von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gestoppt. Grund war Kritik am Umgang des Finanzministeriums mit langjährigen Mietern der günstigen Wohnungen in den Häusern, die abgerissen werden sollten.
Nun hat das Ressort von Minister Danyal Bayaz (Grüne) drei Szenarien ausgearbeitet, wie die Sanierung des Hauses der Abgeordneten überbrückt werden könnte. Zudem hat es auf Wunsch der Fraktionen von SPD und FDP auch errechnet, was es kosten würde, wenn die Abgeordneten dauerhaft ins Neue Schloss in Stuttgart umziehen würden.
Ein solcher Umzug würde mit knapp 200 Millionen Euro zu Buche schlagen, wie die dpa aus Fraktionskreisen erfuhr. Diese Variante für eine neue Unterbringung der Büros der Parlamentarier während der Sanierung des Hauses der Abgeordneten wäre mit Abstand die teuerste. Demnach müssten die beiden Flügel des Neuen Schlosses für die neue Nutzung komplett umgebaut werden. Kostenpunkt: allein 80 Millionen Euro. Hinzu käme, dass das Finanz- und das Wirtschaftsministerium eine neue Bleibe bräuchten.
Wichtig zu wissen: Im Abgeordnetenhaus befinden sich nur noch die Büros von Grünen und CDU. SPD und FDP sind am Schlossplatz, die AfD ist im Justizviertel untergebracht.
Neben der Schloss-Option hat die Abteilung Vermögen und Bau im Ministerium drei Varianten vorgeschlagen. Variante eins ist eine Immobilie der Landesbank Baden-Württemberg in der Einkaufsmeile Königstraße gegenüber dem Hauptbahnhof. Für die Anmietung der etwa 200 Büros über einen Zeitraum von 2026 bis 2031 - also in der regulär nächsten Legislaturperiode - würden 72 Millionen Euro fällig. Die Sanierung des Hauses der Abgeordneten käme noch mit 45 Millionen Euro dazu. Macht unter Strich: 117 Millionen Euro.
Option zwei wäre eine Unterbringung im Uhland Carré unweit des Hauses der Abgeordneten im Justizviertel. Dies wäre die günstigste Variante mit Gesamtkosten von 88 Millionen Euro. Allerdings könnte der Umzug hier erst 2028 beginnen und die Rückkehr käme erst 2032 infrage.
Dritte Möglichkeit ist die schon im Herbst favorisierte Option, in der Ulrichstraße, hinter dem Haus der Abgeordneten, neu zu bauen und dafür die drei landeseigenen Gebäude abzureißen. Anders als vor einem halben Jahr will Vermögen und Bau den Neubau nicht nur für Büros nutzen, sondern auch ein Drittel Wohnungen ermöglichen. Zudem soll - im Fall eines Zuschlags - für jeden einzelnen Mieter eine gute Ausweichmöglichkeit gefunden werden. Diese Variante würde mit insgesamt 142 Millionen Euro zu Buche schlagen.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sieht keine Fortschritte in der Sache. »Insgesamt bleibt die Situation für uns weiter unklar, zumal mit dem von Grünen, CDU und SPD verabschiedeten neuen Wahlrecht der Landtag voraussichtlich bei der nächsten Wahl um etliche zusätzliche Abgeordnete anwachsen wird«, sagte Rülke der dpa. »Auch diese müssen dann untergebracht werden. Darauf haben wir die Landtagsverwaltung bereits hingewiesen.«
Das Neue Schloss, einst Residenz württembergischer Herzöge und Könige, war im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört worden. Im Jahr 1957 entschied der Landtag mit knapper Mehrheit, das Schloss zumindest äußerlich wiederaufzubauen. Seitdem residiert das Finanzministerium in einem Flügel des Baus. Bis 2012 war dort auch das Kultusministerium untergebracht. Weil aber der damalige Vize-Regierungschef Nils Schmid (SPD) Finanz- und Wirtschaftsressort unter seiner Führung zusammenlegte, musste das Kultusministerium weichen. Das seit 2016 wieder selbstständige Wirtschaftsministerium ist im Neuen Schloss geblieben.
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