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Aktuell Trauer

Stuttgarter Chörle gestaltet Feier für Tote, um die sich niemand kümmerte

Jesuskreuz
Ein Jesuskreuz und eine brennende Kerze stehen in einer Kirche. Foto: Hartmann/dpa
Ein Jesuskreuz und eine brennende Kerze stehen in einer Kirche.
Foto: Hartmann/dpa

STUTTGART. Es ist schon eine knifflige Aufgabe, Tote in einer Trauerfeier zu ehren, die vereinsamt gestorben sind, um die sich zuletzt bis zum letzten Gang niemand gekümmert hat. Da war schon viel Vorarbeit bei den Ämtern und der Kirchenverwaltung nötig, dass Anfang dieser Woche wieder solch eine Trauerfeier für die unbedachten Toten stattfinden konnte. Das sind jene, von denen teils nicht mal der Namen ermittelt werden konnte. Oder jene, die keine Nachkommen haben. Oder deren Nachkommen sich nicht meldeten.

Doch da gibt es das Stuttgarter Chörle, das es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht hat, gerade diesen das letzte Geleit zu geben, bei denen sonst absehbar nur der Pfarrer bei deren Beerdigung anwesend ist. Aus Corona-Gründen hat dies in der großen Feierhalle des Waldfriedhofs stattgefunden.

Anton Seeberger von der katholischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Mitte und Eva Deimling, persönliche Referentin des Stadtdekans, haben diese ökumenische Trauerfeier entwickelt und gestaltet. Wechselnd machen sie darauf aufmerksam, dass Gott keine Namen vergisst, dass er alle Namen kennt. Und der jeweilige Name des Einzelnen ist so ziemlich das Engste, das mit der jeweiligen Person verbunden ist. »Jemand hat uns unsere Namen gegeben«, so Seeberger, »und mit unseren Namen werden wir angesprochen. Sie sind uns also aufs Engste vertraut. Gott hat sie in der Taufe beim Namen genannt. Bei Gott sind sie nicht vergessen.«

Deshalb haben beide Geistliche die zwölf Namen jener noch einmal ausgesprochen, denen diese Trauerfeier gewidmet war. Parallel zur Namensnennung wurden zwölf Kerzen angezündet an deren Urnen. Alle zwölf Verstorbenen waren Mitglieder der christlichen Gemeinden in Stuttgart.

An diesem Vormittag waren dies konkret in Stuttgart Verstorbene, die zwischen 50 und 100 Jahre alt geworden sind und zwischen November 2019 und dem 20. Mai verstorben sind. Sie sind nur ein Teil von jenen, die jährlich anonym in Urnen bestattet werden ohne jegliches Zeremoniell. In Stuttgart waren dies 2018 insgesamt 412 Personen, 2019 waren es 425 und 2020 bis jetzt 246.

Vier Abschiedsfeiern pro Jahr

Der Anonymität entsprechend gibt es dazu keine öffentlich genannten Termine und keinerlei religiöse Begleitung. Für die Gemeindemitglieder christlicher Kirchen, die unbedacht verstorben sind, soll es immerhin künftig jährlich vier solche Trauerfeiern geben.

Da wird dann auch wieder das Stuttgarter Chörle dabei sein, das seit vielen Jahren jene Menschen auf ihrem letzten Gang begleitet, an die sich niemand erinnert. Hinweise von unbekannten Verstorbenen oder von jenen, deren Nachkommen sich nicht melden, bekommt sie von den Kirchen und der Stadt. 2010 hat die Kirchenmusikerin Sabine Ostmann dieses Ensemble ins Leben gerufen, 2019 bekam das Chörle für dieses Engagement den Stuttgarter Bürgerpreis. Nach 43 Berufsjahren im Stuttgarter Kirchenwesen empfindet Ostmann viel Solidarität mit den Unbedachten, beschreibt sie die Triebfeder ihres Engagements und das der etwa 50 Chormitglieder, die in wechselnder Gesangsstärke zu diesen Anlässen zusammenkommen. (GEA)