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Strobl fordert Grenzschließung gegen Corona-Pandemie

Schulen und Kitas schließen, auch Freizeit- und Kultureinrichtungen unterbrechen ihre Angebote. Erste Auswirkungen sind in Baden-Württemberg deutlich zu spüren. Innenminister Strobl will auch die grenzüberschreitende Bewegungsfreiheit einschränken.

Thomas Strobl
Thomas Strobl (CDU), Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration von Baden-Württemberg. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild
Thomas Strobl (CDU), Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration von Baden-Württemberg. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

STUTTGART. Die Coronavirus-Pandemie hat immer stärkere Auswirkungen auf das Leben in Baden-Württemberg. Innenminister Thomas Strobl (CDU) fordert nachdrücklich die Schließung der Grenze zu Frankreich, um die Verbreitung des Coronavirus einzuschränken.

An erster Stelle stehe der Schutz der Bevölkerung vor einer Infektion, teilte Strobl am Sonntag mit. »Die Verbreitung des Virus muss so gut es geht verlangsamt werden. Dazu ist entscheidend wichtig, auch die grenzüberschreitende Ausbreitung bestmöglich zu unterbinden - insbesondere aus Hochrisikogebieten im Ausland.« Die an Baden-Württemberg grenzende französische Region Grand Est (Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne) gilt als Risikogebiet.

Da Frankreich das öffentliche Leben immer stärker einschränke, sei eine neue Situation entstanden, erklärte Strobl. Die Schließung der Grenze sei eine harte Maßnahme, »die mir als überzeugtem Europäer schwerfällt«. Aber sie sei notwendig. Ausnahmen könne es geben, etwa für Warenlieferungen, Pendler in kritischen Infrastrukturen oder auch Pflegekräfte und medizinisches Personal. »Aber im Grundsatz muss gelten: Wer nicht zwingend über die Grenze muss, kommt nicht über die Grenze.«

Schon bevor in der kommenden Woche alle Schulen und Kitas geschlossen werden und Eltern damit vor einem weiteren Problem stehen, zeigten sich am Wochenende die Auswirkungen der drastischen Maßnahmen, mit denen die Regierung die Ausbreitung des neuartigen Virus eindämmen will.

Händler berichten von sinkenden Umsätzen und verunsicherten Kunden. Der Ministerpräsident und seine Wirtschaftsministerin riefen Unternehmen und Beschäftigte dazu auf, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen.

In Stuttgart müssen auf Anordnung der Stadt sämtliche Clubs, Bars, Museen, Kinos oder Bäder geschlossen bleiben. Auch Städte wie Karlsruhe, Mannheim und Heilbronn sprachen umfassende Verbote aus. Größere Veranstaltungen in geschlossenen Räumen sind ohnehin landesweit untersagt. Busse und Bahnen fahren weiter, auch der Einzelhandel und Restaurants dürfen öffnen. Besuche in Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern sind dagegen landesweit weitgehend verboten. Die Spielbanken in Baden-Baden, Konstanz und Stuttgart sind dicht. Die Staatsoper Stuttgart spielt nur noch digital, das Staatstheater in Karlsruhe gar nicht mehr.

Die Landes-SPD sagte am Wochenende sämtliche Veranstaltungen bis Ende April ab. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg empfahl ihren Gemeinden, vorerst auf Gottesdienste zu verzichten.

Auf dem Feldberg, dem größten Wintersportgebiet in Baden-Württemberg, waren die Skipisten nur noch bis Sonntag geöffnet. Von Montag an ist zudem die Wasserwelt »Rulantica« im Europa-Park Rust geschlossen. Das größte Ferienhotel im Schwarzwald, das Vier Jahreszeiten am Schluchsee, schließt ab Mittwoch vorläufig. Die Stuttgarter Wilhelma und auch der Karlsruher Zoo hingegen bleiben offen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Freitag an die Bürger appelliert, soziale Kontakte auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. »Das ist jetzt erste Bürgerpflicht«, sagte der Regierungschef. »Jeder Kontakt, auf den Sie verzichten, hilft uns.«

Deutlich sichtbar war die besondere Situation am Samstag in vielen Supermärkten, wo sich lange Schlangen an den Kassen bildeten und Produkte wie Toilettenpapier oder haltbare Lebensmittel dem Anschein nach wieder stark gefragt waren. Die Bundesregierung betonte erneut ausdrücklich, dass es keinen Anlass für Hamsterkäufe gebe. Auch mehrere große Supermarktketten machten angesichts einer erhöhten Nachfrage klar, dass der Nachschub gesichert sei.

Der Handel insgesamt fürchtet angesichts der drastischen Einschränkungen um die Existenz vieler Geschäfte. Die Händler im Südwesten stünden im Moment vor den größten organisatorischen und logistischen Herausforderungen aller Zeiten, sagte ihr Verbandspräsident Hermann Hutter am Samstag und forderte umfassende Unterstützung von Seiten der Politik. »Viele Händler im Land brauchen die Hilfen schnellstmöglich, sonst werden Betriebe vor dem Aus stehen«, warnte er.

Laut einer Umfrage des Verbandes klage bereits die Mehrheit der Händler über Umsatzeinbrüche um bis zu 50 Prozent. Die Zahl der Kunden in den Geschäften gehe zurück, und die Kunden, die noch kämen, seien stark verunsichert. Fast alle befragten Händler fürchteten zudem eine noch weitere Verschärfung der Situation, hieß es. »Wir hoffen nun vor allem darauf, dass die Politik die Nerven behält und die Geschäfte offen bleiben dürfen«, sagte Hutter.

Dass nun ab Dienstag auch noch die Schule ausfällt, bereitet den Händlern, die ja auch Arbeitgeber sind, zusätzliche Sorgen - aber nicht nur ihnen. Die Landesregierung appellierte am Samstag an die Kompromissbereitschaft und die Flexibilität von Arbeitgebern und Beschäftigten. »Uns ist bewusst, dass die Schließung der Schulen und Kitas insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern sowie deren Arbeitgeber vor große Herausforderungen stellt«, betonten Kretschmann und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).

»Wir appellieren daher eindringlich an die Unternehmen, bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiten und der Genehmigung von Home Office alle Spielräume zu nutzen und größtmögliche Flexibilität zu bieten«, schrieben sie. »Außerdem setzen und hoffen wir auf die gegenseitige Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme innerhalb der Belegschaft.« Von den Schul- und Kita-Schließungen könnten bis zu 1,6 Millionen Familien und Alleinerziehende mit Kindern betroffen sein.

Bis zum Samstag waren in Baden-Württemberg bei den dortigen Behörden 827 Infektionen bestätigt. Es seien vom Landesgesundheitsamt 258 weitere bestätigte Fälle gemeldet worden, teilte das Sozialministerium am Samstagabend in Stuttgart mit. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Samstagabend waren in Baden-Württemberg 569 Menschen infiziert - die Zahlen differieren häufiger. Drei Menschen sind bisher nachweislich an den Folgen einer Infektion gestorben. (dpa)