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Streit um Wolfsabschüsse: Hauk favorisiert Tirol-Modell

Dutzende Wolfsrudel gibt es in Deutschland, kein einziges in Baden-Württemberg. Und dennoch wird im Südwesten leidenschaftlich darüber diskutiert, wann ein Wolf abgeschossen werden darf. Landwirtschaftsminister Hauk schaut dazu auch nach Österreich.

Wolf
Ein Wolf schaut in einem Wildpark hinter einem Baum hervor. Foto: Lino Mirgeler
Ein Wolf schaut in einem Wildpark hinter einem Baum hervor.
Foto: Lino Mirgeler

In der Debatte um den Abschuss von Problemtieren setzt Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) nach. Die Situation vor allem im Schwarzwald zeige deutlich, dass Herdenschutz als einziges Mittel bei den sogenannten Problemwölfen »bei Weitem nicht mehr ausreicht«, sagte Hauk der dpa. Er favorisiert ein Modell, das es in ähnlicher Form in Teilen Österreichs bereits gibt und das auch in Bayern diskutiert wird.

Der Wolf ist nach europäischem und deutschem Recht nach wie vor streng geschützt. Tirol hatte zuletzt entschieden, dass Wölfe dort künftig wesentlich leichter abgeschossen werden können. Attackiert ein Wolf nun wiederholt Weidetiere auf den rund 2100 Almen in der österreichischen Region, kann er zum Abschuss freigegeben werden. Dies gilt auch dann, wenn bei einem einzelnen Angriff mindestens fünf Schafe oder Ziegen getötet werden. Eine weitere Regelung gibt es für den Fall, dass ein Wolf in Siedlungen auftaucht. Dann kann er als »Risikowolf« eingestuft und ebenso zum Abschuss freigegeben werden. Tirol verfolgt auch das Ziel, den Schutzstatus von Wölfen in der ganzen EU zu senken und die Raubtiere wieder regulär jagen zu lassen.

Eine ähnliche Regelung wäre »eine sehr gute und nahezu optimale Lösung«, ließ Hauk über einen Sprecher mitteilen. »Darüber hinaus würde die EU mit der Tiroler Forderung ein klares Bekenntnis zur Nutz- und Weidetierhaltung und damit zur Biodiversität und zum Erhalt der vielfältigen Kulturlandschaft abgeben«, sagte der Agrarminister.

Für viele Betriebe sei der Herdenschutz wegen ihrer Lage und des Arbeitsaufwandes nicht mehr umzusetzen. Man sei dabei bislang von Ziegen und Schafen ausgegangen, nicht aber von Rindern und Pferden als Beute des Wolfs. Wie es weitergehe, hänge vor allem vom Umgang mit Problemwölfen ab, vor denen auch ausgewachsene Rinder nicht mehr sicher seien.

Hauk forderte »ein beherztes Handeln« und setzt dabei auch auf den »Wolfsgipfel«, den der Bauernverband am Freitag organisiert. »Vom «Wolfsgipfel» erwarte ich mir schnelle und pragmatische Antworten zum Umgang mit Problemwölfen«, sagte Hauk. Dazu gehörten neben einer nachvollziehbaren Definition von Problemwölfen auch einfache Regelungen für die Entnahme (Abschuss). Auch die Landwirte fordern, den Wolfsbestand zu begrenzen, also auch Tiere zu bejagen.

Bei der Bundesregierung kommt Hauk damit nicht weiter. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) weist Kritik zurück, es werde zu wenig zum Schutz vor dem Wolf getan. Dort, wo es Not tue, könnten Wölfe heute geschossen werden. Der Ministerin zufolge muss der Schutz für Weidetierhaltung verbessert, aber andererseits auch der Schutz des Wolfes gewährleistet werden. »Wir können nicht mit gutem Gewissen fordern, dass in afrikanischen Ländern Tiere geschützt werden, wir aber hier sagen, dass es nicht möglich ist, den Wolf zu schützen«, sagte Lemke am Mittwoch im Bundestag.

Der Wolf breitet sich seit seiner Rückkehr nach Deutschland auch in Baden-Württemberg aus, allerdings deutlich langsamer als in vielen anderen Bundesländern. Wölfe gelten als streng geschützte Art. Ein Abschuss ist verboten, außer sie verhalten sich gegenüber Menschen aggressiv. Kritiker wie etwa der Bauernverband bemängeln, die Möglichkeiten zum Wolfsabschuss seien zu restriktiv und langwierig, wenn wiederholt Herdenschutzmaßnahmen umgangen und womöglich durch Risse hoher wirtschaftlicher Schaden angerichtet werde.

Gestritten wird vor allem darüber, ob der Wolf mit ganzjähriger Schonzeit ins Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aufgenommen werden muss. Aus Sicht der Befürworter hätte er dann zwar weiterhin einen hohen Schutzstatus, könnte aber in problematischen Fällen von ausgebildeten Jägern leichter getötet werden.

Der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Johannes Enssle, widerspricht: Wölfe seien nach dem Bundesnaturschutzgesetz zwar streng geschützt. Auffällig gewordene Tiere könnten jedoch schon heute schnell entnommen werden, sagt auch er. Fachlich oder politisch ergebe eine Aufnahme ins Jagdrecht zudem keinen Sinn. »Die Folge wäre eine Doppelzuständigkeit von Jagd- und Naturschutzbehörde«, sagte Enssle.

Nach einer Umfrage des Nabu sind auch die meisten Menschen in Baden-Württemberg gegen einen solchen Schritt. Laut der Forsa-Umfrage für den Nabu und WWF fänden es mehr als 70 Prozent der Befragten im Südwesten gut, dass der Wolf zurückkommt, teilte der Verband mit. 58 Prozent der Menschen im Land seien dagegen, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen.

Baden-Württemberg ist trotz der steigenden Zahl von Wölfen in Deutschland noch ein Durchgangsland für das Raubtier. Hier gelten noch drei Wölfe als sesshaft, es sind alles Rüden im Schwarzwald. Zwei von ihnen streunen durch den Süden der Region. Als sesshaft gilt ein Wolf, wenn ein eindeutig zuzuweisender Nachweis auch nach sechs Monaten noch gefunden wird. Einer der drei Wölfe aus dem Schwarzwald, das Tier mit der Bezeichnung GW1129m, sorgt für Debatten, weil es bereits mehrere Rinder gerissen hat.

© dpa-infocom, dpa:230427-99-465541/4