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Streiks ausgeweitet: Nahverkehr in acht Städten betroffen

Angesichts der hohen Inflation infolge des Kriegs in der Ukraine fordern die Gewerkschaften ein sattes Gehaltsplus für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Das Nein der Arbeitgeber quittieren sie mit Warnstreiks. Von den Folgen könnte jeder bald mal betroffen sein.

Fortsetzung Warnstreiks
Zahlreiche Streikende des öffentlichen Diensts ziehen mit gelben Warnwesten mit der Aufschrift : Verdi" bei einer Demonstration durch die Stadt. Foto: Thomas Banneyer
Zahlreiche Streikende des öffentlichen Diensts ziehen mit gelben Warnwesten mit der Aufschrift : Verdi" bei einer Demonstration durch die Stadt.
Foto: Thomas Banneyer

Immer mehr Menschen im Südwesten bekommen die Warnstreiks im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen zu spüren: Hier sind Kitas dicht, da Sparkassen, dort gibt es Arbeitsniederlegungen bei Behörden, Kliniken oder Jobcentern. Und am Freitag droht Stillstand im Nahverkehr in Stuttgart, Freiburg, Mannheim, Heilbronn, Ulm, Esslingen, Konstanz und Baden-Baden.

Die Gewerkschaft Verdi rief am Dienstag in den acht Städten die Beschäftigten in kommunalen Betrieben des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) dazu auf, ganztägig die Arbeit niederzulegen. Sie rechnet damit, dass es dann keinen ÖPNV gibt.

»Die Arbeitsbedingungen im ÖPNV sind schon jetzt so unattraktiv, dass es unmöglich wird, die dringend benötigten neuen Fahrerinnen und Fahrer zu gewinnen«, erklärte Jan Bleckert von Verdi. »Es ist rätselhaft, dass die Arbeitgeber nicht begreifen, was eine weitere Reallohnkürzung von weit über zehn Prozent für gravierende Folgen hätte.« Ohne Fahrerinnen und Fahrer gebe es keinen attraktiven ÖPNV und damit keine nachhaltige Mobilitätswende in der Zukunft.

Worum es in dem Tarifkonflikt geht

In den Verhandlungen geht es unter anderem um Erzieherinnen, Krankenschwestern, Busfahrer, Altenpflegerinnen, Feuerwehrleute und Müllwerker, die beim Bund oder in Kommunen beschäftigt sind. In Baden-Württemberg gab es den Angaben zufolge vergangenes Jahr rund 236.000 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen. Zwei von drei seien Frauen. Rund 44 Prozent arbeiteten in Teilzeit.

Die Arbeitgeber hatten bei den bundesweiten Verhandlungen in Potsdam in der zweiten Runde am Donnerstag zwar ein Angebot vorgelegt. Die Gewerkschaften wiesen es aber umgehend zurück. Das Angebot umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro.

Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeberseite hatte die Forderungen als »nicht leistbar« abgelehnt.

Mögliche Konsequenzen aus den Verhandlungen

Die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Hanna Binder erklärte nicht zuletzt mit Blick auf die Inflation: »Wir müssen in dieser Tarifrunde ein solidarisches Paket erreichen. Denn vor allem die Kolleginnen und Kollegen in den unteren Entgeltgruppen müssen zur Finanzierung ihres Lebens längst an ihre dünnen Ersparnisse ran.«

Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch zeigte Verständnis für die Forderungen. Der öffentliche Dienst müsse ein attraktiver Arbeitgeber bleiben, sagte der CDU-Politiker am Dienstag im ARD-»Morgenmagazin«. In Pforzheim arbeiteten beispielsweise rund 2500 Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Stadt. 150 bis 200 Stellen seien offen.

Zugleich warnte er vor Löchern im kommunalen Haushalt. Es gehe um 15, 16 Millionen Euro im Jahr, »was uns das Ganze kostet«. Eine solche Summe müsse erstmal erwirtschaftet werden.

Und dann müsse priorisiert werden: Es gebe Pflichtaufgaben wie den Kita-Ausbau, Schulsanierungen und Bäder, sagte Boch. Bei Straßensanierungen etwa könnte manche Maßnahme geschoben werden. »Es wird nicht einfach«, sagte der Rathauschef - am Ende müsse der Gemeinderat einen Zeitplan erstellen, was wann angegangen wird.

Wochenlange Warnstreiks

Seit dem 10. Februar macht die Gewerkschaft im Südwesten Druck mit einzelnen Warnstreik-Aktionen. Davon betroffen waren unter anderem schon die Stuttgarter Müllabfuhr und die Stadtreinigung am Faschingsdienstag sowie der Flughafen der Landeshauptstadt.

Den bisher größten Warnstreiktag in der laufenden Tarifrunde verzeichnete Verdi am Dienstag. Mehr als 2100 Beschäftigte in Baden-Baden und Rastatt, in den Landkreisen Rems-Murr und Böblingen, in Tübingen sowie den Kliniken in Ehingen und Blaubeuren (beide Alb-Donau-Kreis) hätten ganztägig die Arbeit niedergelegt, teilte die Gewerkschaft mit. »Die Beteiligung übertrifft dabei alle Erwartungen und liegt weit über den Erfahrungen aus den letzten Tarifrunden.«

Wie es weitergeht

Für die kommenden Tage sind weitere Aktionen in verschiedenen Regionen des Landes angekündigt. An diesem Mittwoch ist in Mannheim und Esslingen ein Streiktag der Auszubildenden und Nachwuchskräfte geplant. »Außerdem wird in der Ortenau gestreikt«, teilte Verdi mit.

Am Donnerstag folgen Arbeitsniederlegungen im Landkreis Ludwigsburg, in Leinfelden-Echterdingen und Ostfildern bei Stuttgart, in Bad Friedrichshall (Landkreis Heilbronn), bei der Kreissparkasse Ostalb und in den Kliniken in Heidenheim. Am Freitag solle über die Aktionen im ÖPNV hinaus in Esslingen gestreikt werden.

Die dritte und bislang letzte verabredete Verhandlungsrunde ist vom 27. bis voraussichtlich 29. März geplant. Die Intensität der Warnstreiks werde sich bis dahin steigern, hatte Verdi angekündigt.

Mitteilung zur Streikbilanz Dienstag

Mitteilung zum Aufruf im ÖPNV am Freitag

Boch in der ARD

Pressemappe BMI

Presseinfos von Verdi

© dpa-infocom, dpa:230228-99-771725/3