LEONBERG. Thomas Heinrich schaut auf sein Display im Cockpit, bremst sein Elektroauto ab und lenkt es ganz nach links an den Straßenrand. »Einsatzfahrzeug von hinten«, steht da im eingeblendeten Feld über dem Tachometer geschrieben. Heinrich macht deshalb vorsorglich schon einmal die Rettungsgasse frei. Über die Schulter nach hinten geblickt, sieht man: noch nichts. Denn die Warnung blitzt schon auf, bevor im Rückspiegel ein Gelblicht zu sehen oder ein Signalton zu hören ist. Es sind wertvolle Sekunden, die Leben retten können.
An diesem Tag auf der ADAC-Verkehrsübungsanlage am Solitude-Ring bei Leonberg ist es nur eine Übung, und der nächste Testfall wartet schon auf: Test-Fahrer Heinrich hat eigentlich grünes Licht an der Ampel. Doch dann erscheint zum Glück wieder frühzeitig eine Warnmeldung im Display: Einsatzfahrzeug von links ist nun zu lesen. Heinrich wird langsamer, und prompt schaltet die Ampelanlage auf Rot für ihn. Denn im nächsten Augenblick schießt ein Polizeiauto mit hohem Tempo, Blaulicht und Martinshorn auf die Kreuzung zu. Hätte Heinrich erst jetzt reagiert, wäre es brenzlig geworden. Doch der Einsatzwagen bekommt kurzfristig grünes Licht für seine Fahrtrichtung geschaltet, ein Zusammenstoß mit dem kreuzenden Verkehr wird damit unwahrscheinlich.
Oft entscheiden Sekunden über Sicherheit und Gefahren auf den Straßen. Genau hier setzt die Technologie C-ITS an, die auf der Verkehrsübungsanlage vom ADAC Württemberg, der Autobahn GmbH des Bundes und dem baden-württembergischen Verkehrsministerium vorgestellt wird. Die sogenannten intelligenten Verkehrssysteme (kurz: C-ITS) können die Verkehrssicherheit erhöhen, indem Fahrzeuge, Lichtsignalanlage und Verkehrsteilnehmende miteinander kommunizieren. In Fahrzeugen der neuesten Technologie ist C-ITS bereits eingebaut. Martin Lorenz vom Verband der Automobilindustrie (VDA) weiß: »Bei den Autos, die jünger als zwei Jahre sind, sind wir da schon gut aufgestellt.« Die allermeisten von ihnen sind C-ITS-fähig.
Es sind die Empfänger von Meldungen. Aber es braucht auch Sender. Die Autobahn GmbH ist Wegbereiter. 1.200 fahrbare Absperrtafeln wurden bereits flächendeckend in Deutschland mit der Technologie ausgestattet. Susanne Schulz, Fachbereichsleiterin für kooperative, vernetzte und automatisierte Mobilität bei der Autobahn GmbH, betont: »C-ITS ist mehr als nur eine Technologie – es ist ein Versprechen für sicherer Straßen.« Sie spricht vom »digitalen Frühwarnsystem, das uns vor einer Gefahrenstelle hinter der nächsten Kurve schützt. Und es ist gleichzeitig eine Lebensversicherung für unsere Mitarbeitenden im Betriebsdienst.« Denn auch diese hätten Familien und wollten am Ende des Arbeitstags wieder gesund zu Hause ankommen.
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagt: »Für eine sichere Mobilität spielen Systeme wie das C-ITS eine Schlüsselrolle«. Durch die Echtzeitdaten würden »Fahrer früher vor Gefahren gewarnt.« Der Landesminister sagt: »Wir erarbeiten aktuell im Ministerium eine Roadmap für C-ITS in Baden-Württemberg und machen uns für eine bundesweite Umsetzung stark. Das System darf keine Insellösung bleiben.« Neben den Fahrzeugen der Autobahn GmbH könnten auch die Fahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr und weiterer Rettungsdienste eingebunden werden.
Michael Saur unterstützt diese Forderung. Der Vorsitzende des ADAC Württemberg sagt: »C-ITS ist eine unverzichtbare Investition in den Schutz von Menschenleben und die Verkehrssicherheit.« Doch selbst der ADAC hat auf diesem Weg noch einen weiten Weg zu gehen. Bisher sind nach eigenen Angaben zehn Fahrzeuge der Pannenhilfe und ein Notarztwagen der Luftrettung sowie vier Lkw der Mobilitätspartner mit C-ITS ausgestattet. Deutschlandweit hat der ADAC aber 1.200 Fahrzeuge in seiner Flotte.
Saur weist allerdings auch darauf hin, dass »der Faktor Mensch in allen Sicherheitssystemen der größte Schwachpunkt ist.« Wer eine Panne hat, sollte deshalb unbedingt eine Warnweste anziehen und sich hinter der Leitplanke in Sicherheit bringen. Nachlässiges Verhalten wie zu schnelles Heranfahren an eine Baustelle oder Unaufmerksamkeit am Steuer führen zudem immer wieder zu Unfällen. Pro Jahr werden allein etwa 400 fahrbare Absperrtafeln zu Schrott gefahren, weil nachkommende Autos oder Lkw zu spät abbremsen. Ganz zu schweigen von den jährlich knapp 3.000 Verkehrstoten auf den deutschen Straßen.
Minister Hermann will das nicht hinnehmen und kämpft weiter für die Vision Zero: »Es geht darum, die Zahl der Verkehrstoten möglichst auf null zu senken.« C-ITS soll dazu einen weiteren Beitrag leisten. ADAC-Chef Saur ist überzeugt: »Mit diesem System gewinnen wir mehr Zeit für lebenswichtige Entscheidungen.« (GEA)






