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Seegfrörne jährt sich zum 60. Mal

Im Februar 1963 fror der gesamte Bodensee das letzte Mal zu. Menschen strömten auf die spiegelglatte Fläche - viele davon auch für eine besondere Prozession auf dem Eis.

Otto Braun
Kirchgemeindepräsident Otto Braun hält die Büste des Heiligen Johannes in den Händen. Foto: Felix Kästle
Kirchgemeindepräsident Otto Braun hält die Büste des Heiligen Johannes in den Händen.
Foto: Felix Kästle

Wettertechnisch ist es ein Jahrhundertereignis gewesen: Vor 60 Jahren ist der Bodensee das letzte Mal komplett zugefroren. Seegfrörne wird das Wetterphänomen genannt, das das Binnengewässer im Februar 1963 in eine riesige Schlittschuhbahn verwandelt hat. Die Eisdecke sei damals so fest gewesen, dass Autos von Ufer zu Ufer fahren konnten, erklärt ein Sprecher vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Auf dem 536 Quadratkilometer großen Gewässer im Dreiländereck Deutschland, Österreich und der Schweiz tummelten sich damals zahlreiche Schlittschuhläufer und Fußgänger.

Das größte Spektakel war aber die Eisprozession. Dabei versammelten sich am 12. Februar 1963 rund 2500 Menschen, um eine Holzbüste des Heiligen Johannes von der Bodensee-Gemeinde Hagnau auf die andere Uferseite in das schweizerische Münsterlingen im Kanton Thurgau zu begleiten. Damit folgten sie einer jahrhundertealten Tradition. »Die Büste wechselt seit dem Jahr 1573 bei jeder Seegfrörne das Ufer«, sagt der Präsident der Kirchgemeinde Altnau-Güttingen-Münsterlingen, Otto Braun.

Seit 60 Jahren warte der Heilige Johannes auf der Schweizer Seite auf seine Rückkehr nach Deutschland. Aktuell sei die Büste in einem grünen Tresor aufbewahrt, so Braun. Eine Kopie sei in Münsterlingen in der Klosterkirche zu sehen. Ein Ravensburger Schnitzer soll die Holzschnitzerei einst gefertigt haben, wie Braun sagt. Über den Zweck der Prozession gebe es keine genauen Dokumentationen, die Geschichte dahinter sei unbekannt. Die Tradition habe aber zu einer Freundschaft zwischen den Gemeinden geführt.

Ob der Heilige St. Johannes jemals wieder die Uferseite wechseln wird? »Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sagt Braun. Dazu bräuchte es wieder eine Seegfrörne. Die Bedingungen dafür sind mit Blick auf den Klimawandel eher schlecht, wie der Deutsche Wetterdienst erklärt. Unmöglich sei es aber nicht. Zuletzt waren 2017 und 2002 Teile des Sees so zugefroren, dass man sich darauf bewegen konnte.

Voraussetzung für eine Seegfrörne ist laut Experten ein kühler Sommer und ein sehr kalter Winter mit Dauerfrost. Alten Chroniken zufolge soll der Bodensee seit dem Jahr 875 37 Mal zugefroren sein. Mit milden Temperaturen im März 1963 endete das Spektakel in dem Jahr.

DWD zur Seegfrörne

© dpa-infocom, dpa:230209-99-527987/3