Betuchte Anlageberaterin, schlaflose Obdachlose, visionärer Professor - wie leben Menschen in der Stadt, und wer wohnt eigentlich nebenan? Die Mannheimer Kunsthalle spürt mit einem Projekt des Künstlerkollektivs Rimini Protokoll diesen Fragen nach und wirft einen besonderen Blick auf den städtischen Mikrokosmos. Von diesem Freitag an (bis 16. Oktober) verwandelt die vielfach ausgezeichnete Gruppe unter dem Titel »Urban Nature« die Ausstellungsräume der Kunsthalle in ein großes begehbares Labyrinth.
Ziel des zwischen Kunst, Theater und Performance changierenden Projekts ist es, neue Perspektiven einzunehmen und so den Blick auf die Stadt zu verändern. »Urban Nature«, das in Kooperation mit dem Nationaltheater Mannheim umgesetzt wird, will Besucher anregen, die Perspektive zu wechseln und eigene Realitäten zu hinterfragen, erläuterte Kunsthallen-Direktor Johan Holten anlässlich der Vorstellung des Projekts am Mittwoch.
Eben noch in der hippen Bar, finden sich Besucher unversehens im tristen Neon-Grau einer Obdachlosenunterkunft wieder. Rund um einen Springbrunnen erläutert ein Hochschulprofessor, warum die Stadt der ideale Ort zum Leben ist. Eine Bankerin demonstriert, warum es klasse ist, richtig viel Geld zu haben. Ein Gefängniswärter verrät, dass es gar nicht so einfach ist, ins Gefängnis und damit zu einem warmen Schlafplatz zu kommen. Die Besucher bewegen sich teils mit Tablets und Kopfhörern durch sieben Szenarien einer Großstadt und können dabei ökonomische Parallelwelten erleben.
Das vielfach ausgezeichnete Berliner Theaterkollektiv Rimini Protokoll um Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel erkundet seit über 20 Jahren den urbanen Raum. Das Ziel: Strukturen sichtbar machen, welche die Gesellschaft im Verborgenen bestimmen. Die Gruppe hat schon Fußgänger auf einem Audio-Walk durch Städte geführt oder Flughäfen zu Spielorten umfunktioniert. Sie ist für ihre interaktiven Inszenierungen in der Theaterwelt international bekannt. »Urban Nature«, das zuvor in Barcelona war und an Mannheimer Begebenheiten angepasst wurde, wird mit dem Szenografen Dominic Huber realisiert.
© dpa-infocom, dpa:220713-99-05644/4