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Prozess um Kindesentführung endet mit Haftstrafe für Vater

Die Eltern trennen sich. Der Kampf um den Umgang mit dem gemeinsamen Sohn beginnt und mündet schließlich in der Entführung des Kindes nach Panama. Der Vater wird dafür zu einer Haftstrafe verurteilt. Das Kind wird noch lange an dem Trauma zu leiden haben.

Handschellen
Handschellen stecken in der Gürtelhalterung eines Justizbeamten. Foto: Friso Gentsch
Handschellen stecken in der Gürtelhalterung eines Justizbeamten.
Foto: Friso Gentsch

»Es war die Hölle«, sagt die Mutter. »Ich wollte ihn beschützen«, sagt der Vater. Vor dem Amtsgericht Pforzheim entfaltete sich am Dienstag ein Drama rund um die Entführung eines Kindes nach Panama. Es endete vorerst mit dem einem Schuldspruch für den Mann. Das Gericht verurteilte ihn zu drei Jahren Haft. Der 50-jährige Vater des Jungen war angeklagt, den inzwischen Elfjährigen nach Panama gebracht zu haben. Eigentlich hätte er ihn nach einem Weihnachtsurlaub der Mutter übergeben müssen. Der Richter hielt ihm in der Urteilsbegründung sein Geständnis zugute. Schwer habe aber gewogen, dass der Vater das Leid des Jungen billigend in Kauf genommen habe. 

Der Gutachter hatte dem Kind zuvor eine massive posttraumatische Belastungsstörung attestiert und vom Kontakt zum Vater bis auf Weiteres abgeraten. Der Vater habe sich bis heute nicht bei seinem Sohn entschuldigt. Das wäre aber das Mindeste, was passieren müsste, bevor sich zwischen den beiden wieder eine Beziehung entwickeln könne. Der Junge war zuvor nichtöffentlich vernommen worden, hatte aber keine Aussage gemacht. Laut Mutter leidet er  bis heute unter Ängsten und Alpträumen.  

Den Vorwurf der Kindesentziehung räumte der Vater kurz nach Prozessbeginn ein. Er habe keine Wahl gehabt, sagte er, zunächst ohne tiefere Einsicht um eigene Rechtfertigung bemüht. Seine Stimme brach, wann immer die Sprache auf den Sohn kam. »Mir tut das alles so leid, vor allem für meinen Sohn«, sagte er unter Tränen. Nach den eindrücklichen Schilderungen des Sachverständigen zu den schweren seelischen Schäden des Jungen versprach der Angeklagte, die familiengerichtlichen Streitereien einzustellen. »Ich glaube ihm das nicht«, sagte die Mutter nach dem Urteilsspruch. Ohnehin gebe es für das, was er ihrem Kind angetan habe, keine gerechte Strafe.

Sie war beim Prozess als Nebenklägerin dabei. »Unser Leben wird nie mehr dasselbe sein«, hatte sie vor Verhandlungsbeginn gesagt. »Niemand kann sich vorstellen, was wir durchgemacht haben.« Es habe immer wieder Streit gegeben um den Umgang, ihr Ex-Partner sei ständig vor Gericht gezogen. Das Kind lebt seit der Festnahme des Vaters in Panama im Februar wieder bei seiner Mutter.

Der in Nordrhein-Westfalen lebende Angeklagte nannte die Tat eine Verzweiflungstat. Nach der Trennung habe er sechs Jahre lang versucht, eine normale Beziehung zu seinem Kind aufrechtzuerhalten. Die Mutter aber sei mit ihm siebenmal umgezogen, »jedes Mal weiter weg«. Die gemeinsame Zeit sei immer mehr beschnitten worden. Ein als Zeuge vernommener langjähriger Freund des Angeklagten verteidigte ihn vehement. »Er war der beste Vater, den man sich vorstellen kann.« Eine Sozialpädagogin, die den Jungen schon vor der Entführung begleitet hatte, sah das nicht ganz so. Das Verhältnis zum Vater sei für den Jungen auch vor den Geschehnissen durchaus belastend gewesen. 

Von einer nach Panama geplanten Reise hatten nicht einmal der Freund oder die derzeitige Lebensgefährtin des 50-Jährigen gewusst, wie sie vor Gericht sagten. Sie hätten geglaubt, der Mann befinde sich mit seinem Sohn bei dessen Oma in Belgien, dem Heimatland des Vaters. Ein reine Kurzschlusshandlung sei die Reise nach Panama aber nicht gewesen, so die Überzeugung des Richters.  

Der 50-Jährige war von Belgien aus über Amsterdam nach Panama gereist, lebte dort in verschiedenen Hotels mit dem Kind. Mit internationalem Haftbefehl war er gesucht und schließlich festgenommen worden. Auch die Mutter hatte ihn gesucht, war zweimal nach Panama gereist und hatte einen Privatermittler eingeschaltet. Seit seiner Auslieferung nach Deutschland saß er in Untersuchungshaft. Spekulationen, er sei Impfgegner gewesen und habe seinen Sohn deshalb entführt, bestätigen sich vor Gericht nicht. 

Auf die Fragen des Sachverständigen, was denn die Entführung bei dem Elfjährigen ausgelöst habe, wusste der Mann zunächst keine rechte Antwort. Erst gegen Ende der Verhandlung gelang es ihm, mehr Verantwortung zu übernehmen und auch die Perspektive des Kindes zu sehen. Das Schlusswort sprach der Angeklagte erneut unter Tränen. »Ich hoffe, dass mein Sohn mich irgendwann wiedersehen will.«

© dpa-infocom, dpa:220927-99-920745/6