Ellwangen (dpa) - Nach einer gewaltsam blockierten Abschiebung eines Asylbewerbers in Ellwangen hat die Polizei mit Hunderten Beamten eine Flüchtlingsunterkunft durchsucht. Ein Togoer konnte bei der Razzia am Donnerstag gefasst werden. Der 23-Jährige soll nach Italien zurückgeführt werden.
Eigentlich sollte der Mann aus dem westafrikanischen Kleinstaat Togo bereits in der Nacht zu Montag gefasst und abgeschoben werden. Etwa 150 bis 200 mutmaßliche Flüchtlinge der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) hatten dies aber gewaltsam verhindert. Die Polizei brach die Aktion ab.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte nach dem neuerlichen Einsatz, für ihn sei klar, »dass das Gastrecht nicht mit Füßen getreten werden darf«. Er stehe »politisch voll hinter den Maßnahmen der baden-württembergischen Sicherheitsbehörden und der Polizei«. Die empörenden Widerstandshandlungen müssten mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangte die Abschiebung der Angreifer. »Die Flüchtlinge, die in Ellwangen Polizisten angegriffen haben, müssen unverzüglich abgeschoben werden«, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt den Zeitungen »Heilbronner Stimme« und »Mannheimer Morgen«.
»Wir hatten in der LEA Hinweise auf Strukturen, die behördliche Maßnahmen unterbinden wollen«, sagte Polizeivizepräsident Bernhard Weber. Der 23-Jährige und andere 17 Bewohner, die in der Vergangenheit wiederholt als Unruhestifter aufgefallen seien, sollten nun in andere Landeserstaufnahmeeinrichtungen verlegt werden. Der 23-Jährige solle dann nach Italien zurück, wo er erstmalig in die EU kam. »Die Situation insgesamt war sehr angespannt, sehr aufgeheizt«, sagte Einsatzleiter Peter Hönle.
Die Polizei bekam von der Politik Rückendeckung für ihr Vorgehen. Der Rechtsstaat werde Recht und Gesetz durchsetzen, dies gelte auch für Menschen, die hier in Deutschland Schutz suchten, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU).
An dem Einsatz waren mehrere hundert Beamte beteiligt. Die Situation in der Nacht zu Montag war für die Streifenwagenbesatzungen zu gefährlich geworden. Die mutmaßlichen Flüchtlinge sollen beispielsweise die Streifenwagen umringt und Polizisten bedrängt haben. Später sollen sie mit einem Angriff auf die Polizisten gedroht und so erreicht haben, dass die Schlüssel zu den Handschellen des 23-Jährigen überreicht wurden.
Der massive Widerstand gegen die Abschiebung ist aus Sicht der Polizei in dieser Art und Weise neu. Bei dem Einsatz zu Wochenbeginn habe es sich aber um eine Routinemaßnahme gehandelt, wie sie viele hundert Mal stattgefunden habe, sagte Polizeivizepräsident Weber.
Nach der Eskalation am Montag hatte die Polizei am frühen Donnerstagmorgen ein Großaufgebot rund um das frühere Bundeswehrgelände zusammengezogen. Die Beamten rückten mit mehreren Dutzend Mannschaftsbussen an. Die Straßen waren weiträumig abgesperrt. Außerdem hielt sich die Polizei mit weiteren Kräften in Bereitschaft. Zu sehen waren Beamte in Schutzkleidung. Sanitäter und Notärzte waren ebenfalls vor Ort.
Elf Flüchtlinge sprangen aus Fenstern der Flüchtlingsunterkunft und verletzten sich. Zudem sei ein Polizist verletzt worden.
In der »Bild«-Zeitung äußerte sich ein Mann, der sich als der 23-jährige Mann aus Togo ausgab. »Die Polizei hat schon im Februar versucht, mich abzuschieben. Deutschland sagt doch «Welcome» zu uns Flüchtlingen. Die geben jeder Person eine Duldung«, sagte er. Seine »Brüder« seien ihm nun zu Hilfe gekommen, sagte er mit Blick auf den Polizeieinsatz am Montag.
Im vergangenen Jahr waren bundesweit 525 Abschiebungen per Flugzeug abgebrochen worden, weil sich die Betroffenen kurz vor der geplanten Ausreise gewehrt hatten. Die meisten dieser Fälle ereigneten sich an den Flughäfen in Frankfurt am Main, München und Hamburg. Diese Zahl bezieht sich aber ausschließlich auf den Abbruch von Abschiebungen auf den letzten Metern.
»Jeder Mensch muss sich in unserem Rechtsstaat an Recht und Gesetz halten. Wir dulden keine rechtsfreien Räume und dieser Angriff auf Polizisten muss geahndet werden.«, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart forderte eine rasche Abschiebung der Flüchtlinge, die Polizisten angegriffen hätten. Sie hätten ihr Gastrecht verwirkt. Auch die oppositionelle SPD forderte ein hartes Durchgreifen.
Nur wenige Asylanträge aus dem bitterarmen Togo
Zugriff statt Rückzug - Polizei zeigt in Ellwangen Stärke
In der Aufnahmeeinrichtung in Ellwangen sind derzeit 490 Flüchtlinge untergebracht, Über die Hälfte stammt aus Afrika. In der Einrichtung finden den Angaben zufolge alle für eine Erstaufnahme wesentlichen Schritte von der Registrierung, der Gesundheits- oder Röntgenuntersuchung bis hin zur Antragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge statt.
Nach wenigen Wochen werden dann die Flüchtlinge auf Grundlage eines Bevölkerungsschlüssels den Stadt- und Landkreisen zur vorläufigen Unterbringung zugeteilt.Kurzzeitig musste die Einrichtung im Sommer 2015 mehr als 4000 Menschen aufnehmen - ausgelegt war sie auf maximal 1000. Die Einrichtung in Ellwangen hatte in der Vergangenheit mehrmals für Schlagzeilen gesorgt. So kam es 2016 dort zu Auseinandersetzungen. Damals gingen beispielsweise algerische und pakistanische Flüchtlinge aufeinander los.