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Opposition hält Strobls Erinnerungslücken für unglaubwürdig

Strobl im Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre, Teil II: Fast neun Stunden lang wird der Innenminister mit Fragen gelöchert. Heraus kommt: wenig. Die Opposition glaubt, dass der CDU-Mann Fakten bewusst verheimlicht.

Thomas Strobl
Thomas Strobl, Innenminister von Baden-Württemberg, spricht im Landtags-Untersuchungsausschuss. Foto: Bernd Weißbrod
Thomas Strobl, Innenminister von Baden-Württemberg, spricht im Landtags-Untersuchungsausschuss.
Foto: Bernd Weißbrod

Innenminister Thomas Strobl musste sich am Freitag erneut stundenlang den Fragen der Abgeordneten im Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre stellen - jedoch ohne größeren Erkenntnisgewinn. Dreieinhalb Stunden ging es allein um die sogenannte Brief-Affäre des CDU-Politikers und die Geldauflage von 15 000 Euro, die Strobl nun zur Einstellung des Verfahrens gegen ihn zahlen will. An viele Sachverhalte konnte sich der Minister nach eigenen Angaben aber nicht mehr erinnern. Nach 8,5 Stunden wurde er entlassen. Die Parlamentarier setzten im Anschluss einen neuen Namen auf die Vernehmungsliste: Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) soll im Ausschuss befragt werden. Wann, ist noch unklar.

Strobl konnte im Ausschuss nicht genau angeben, wann das Angebot der Geldauflage ihn erreichte. »Er hält hinter dem Berg, ist intransparent, hat Erinnerungslücken, die ihm keiner glaubt«, kritisierte SPD-Innenpolitiker Sascha Binder im Anschluss an die Sitzung. Strobl nehme weder den Ausschuss noch die Strafverfolgung ernst. Auch die FDP-Abgeordnete Julia Goll sagte, der Minister sei in keinem Feld hilfreich, habe kein Interesse an Transparenz. Grüne und CDU gaben hingegen an, den Minister für glaubwürdig zu halten.

Gegen Ende der Sitzung wirkte der 62-Jährige zunehmend genervt von den bohrenden und sich wiederholenden Fragen der Opposition. Mit den Worten »Ich bin peinlich berührt« verließ er schließlich den Saal im Landtag. Die Befragung hatte sich zuletzt darum gedreht, warum sein Ministerium staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Strobl gestoppt habe.

Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den ranghöchsten Polizisten im Land, den Inspekteur der Polizei. Ihm wird sexuelle Belästigung vorgeworfen. Strobl hatte ein Anwaltsschreiben in dem Fall an einen Journalisten durchgestochen. Deshalb wird auch gegen Strobl ermittelt: Er soll den Reporter dazu angestiftet haben, aus Verfahrensakten zu zitieren.

Am Donnerstagabend hatte der 62-Jährige dann in der CDU-Fraktion erklärt, dass ihm das Angebot der Einstellung gegen eine Geldauflage in Höhe von 15.000 Euro gemacht wurde - und er dieses Angebot annehmen will. Nicht nur CDU-Fraktion und eigene Partei, sondern auch Ministerpräsident Kretschmann stellte sich am Freitag hinter den Vizeregierungschef. »Die Sache ist für mich geklärt«, teilte der Ministerpräsident mit. Noch sei das Verfahren gegen ihn formell nicht eingestellt, berichtete Strobl am Freitag. Montagmorgen ende die Frist für das Angebot der Staatsanwaltschaft.

Auch gegen den Reporter wird übrigens ermittelt. Dieser hatte nach Angaben der »Stuttgarter Nachrichten« ein Angebot der Einstellung gegen Geldauflage abgelehnt. Bei seiner ersten Vernehmung im Untersuchungsausschuss im September war Strobl befragt worden, ob er ebenfalls ein Angebot der Einstellung gegen Geldauflage erhalten habe. Er hatte die Antwort damals verweigert und sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Deshalb versuchten die Abgeordneten am Freitag zu erfahren, wie viel der Minister im September bereits wusste - ohne Erfolg.

Der Ausgang der Ermittlungen galt als entscheidend für Strobls politisches Überleben. Der Innenminister soll nun 15.000 Euro zahlen. Er ist damit weder vorbestraft noch schuldig im juristischen Sinne. Aus Sicht der Opposition muss er aber gerade als Minister, der für die Verfassung, Recht und Ordnung zuständig ist, zurücktreten. Binder warf Strobl vor, sich mit dem Deal freizukaufen.

Strobl betonte hingegen im Ausschuss, dass er sich weiterhin absolut im Recht sieht - auch wenn er die Geldauflage zahlen will. »Ich bin fest davon überzeugt, keine Straftat begangen zu haben, unschuldig zu sein«, sagte er. Er sei zuversichtlich, dass ein Gericht am Ende zu seinen Gunsten entschieden hätte, wäre es zu einer Verhandlung gekommen. Das lasse sich auch von juristischer Expertise untermauern. Er habe jedoch das Angebot der Staatsanwaltschaft angenommen, um ein langwieriges Verfahren zu umgehen. Das wäre eine Belastung für die Landesregierung, die Koalition, ihn persönlich. Nun könne er sich als Innenminister wieder wichtigeren Dingen zuwenden.

Zunächst drehte sich die Ausschuss-Befragung am Freitag aber nicht um die Brief-Affäre, sondern um Beförderungspraktiken bei der Polizei - dieser Part fand allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Opposition wollte wissen, wie der Inspekteur der Polizei so schnell an seinen Posten kommen konnte - sie glaubt, dass dabei nicht das Leistungsprinzip entscheidend war, sondern Kungelei. Gleichzeitig soll der Ausschuss aufdecken, wie es um Beförderungen an der Spitze der Polizei grundsätzlich bestellt ist.

Die nächste reguläre Sitzung findet am 21. November statt.

© dpa-infocom, dpa:221021-99-205195/6