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»Onkel kommt« - Dönerspieß-Hersteller vor Gericht

Ein Prozess um mutmaßliche Steuerhinterziehung beginnt holperig. Zeugen erscheinen zu spät, der Angeklagte schweigt, anonyme Briefe werden verlesen. Das Verfahren wirft auch ein Schlaglicht auf die mühseligen Ermittlungen von Steuerfahndern.

Justitia
Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Christoph Soeder
Eine Figur der blinden Justitia.
Foto: Christoph Soeder

Fehlende Akten und der schweigsame Ex-Chef einer Dönerspieß-Firma - vor dem Amtsgericht Karlsruhe hat ein mühsames Verfahren wegen mutmaßlichen Steuerbetrugs in Millionenhöhe begonnen. Der angeklagte frühere Geschäftsführer soll den Fiskus um rund 1,7 Millionen Euro gebracht haben.

Konkret geht es um acht Fälle zwischen 2017 und 2019, in denen er in großem Umfang Einnahmen aus Lieferungen an seine Kunden nicht ordentlich angegeben haben soll. Außerdem wird dem 56-Jährigen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei 15 seiner Kunden in 137 Fällen vorgeworfen. Hierbei geht es um einen sechsstelligen Betrag. Die Firma, die Fleischprodukte und Dönerspieße hergestellt und an Hunderte Kunden unter anderem im Landkreis Rastatt und Karlsruhe sowie nach Baden-Baden geliefert hatte, ist laut Gericht inzwischen insolvent.

Der 56-Jährige wollte zum Prozessauftakt weder zur Person noch zur Sache aussagen. Nachdem die erste Zeugin zunächst nicht erschienen war, sagte sein früherer Versandleiter aus. Er belastete den Angeklagten erheblich und sprach etwa von Rechnungen mit speziellen Vermerken: Manche wurden dann korrekt versteuert, andere ohne Nachweis bar bezahlt.

Vor bevorstehenden Durchsuchungen und Kontrollen habe es die Warnung »Onkel kommt« gegeben. Das sei in der Firma das Codewort für Polizei und Finanzbehörden gewesen. Bestimmte Unterlagen habe man dann verschwinden lassen. Lieferscheine seien gefälscht und Fleisch ohne Rechnung abkassiert worden, hieß es in vom Gericht verlesenen anonymen Schreiben, die die Behörden im Zusammenhang mit dem Fall erhalten hatten. Der Angeklagte habe »Millionen gebunkert«.

Mit solchen anonymen Schreiben könne er Ordner füllen, sagte der Verteidiger des 56-Jährigen. Allerdings sei »nicht alles zu hundert Prozent gelaufen«, räumte er ein. Es gehe ihm auch keinesfalls um einen Freispruch seines Mandanten. »Das ist ganz klar.«

Eine mögliche Einigung zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft war im November vergangenen Jahres nicht zustande gekommen. Der Verteidiger hatte eine Bewährungsstrafe erreichen wollen, der Staatsanwalt eine Haftstrafe von mindestens zweieinhalb Jahren. Auch müsse die Steuerschuld beglichen werden, sagte der Staatsanwalt - »und zwar nicht nur 50.000 Euro«. Der Verteidiger verwies darauf, dass sein Mandant pleite sei. »Es ist definitiv kein Geld mehr da.«

Gleich zu Beginn des Prozesses kam es wegen fehlender Akten zu deutlichen Unstimmigkeiten zwischen Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Von den 15 Kunden, denen der Angeklagte bei der Steuerhinterziehung geholfen haben soll und für die zum Teil gesonderte Verfahren bei Amtsgerichten anhängig sind, lagen die Akten nicht vor, waren zu spät gekommen oder gar nicht erst angefordert worden. An fehlenden Akten könne die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe scheitern, sagte der Richter.

Der Mann soll mit Wissen der Imbissbetreiber nur für einen Teil der Ware korrekte Rechnungen geschrieben haben. Umsatz und Ertrag aus den »Schwarzlieferungen« wurden laut Anklage von den Imbissbetreibern nicht in ihrer Buchhaltung aufgeführt und nicht versteuert. Auch der Angeklagte selbst versteuerte einen Teil seiner Lieferungen ab 2016 nicht mehr im eigenen Unternehmen.

Bislang sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Das schien zum Prozessauftakt angesichts des Umfangs des Verfahrens eher unwahrscheinlich. »Es kann auch 20 oder 30 Tage dauern«, sagte der Staatsanwalt.

© dpa-infocom, dpa:220314-99-519225/4