Stuttgart (dpa/lsw) - Julian Nagelsmann traut Pellegrino Matarazzo die komplexe Aufgabe beim VfB Stuttgart offenbar zu. Beim einstigen Chef und Zimmerkollegen des 42-Jährigen hatten sich die VfB-Verantwortlichen versichert, dass Matarazzo der richtige Trainer für die angestrebte Bundesliga-Rückkehr ist. »Es war schon hilfreich, seine Meinung zu hören«, gestand der VfB-Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger am Dienstagnachmittag. Nach den bestätigenden Worten des prominenten Fürsprechers zahlte der Fußball-Zweitligist gar eine »moderate« und laut VfB-Sportdirektor Sven Mislintat »angemessene« Ablösesumme an die TSG 1899 Hoffenheim für den bisherigen Co-Trainer.
Mit dem jetzigen Leipziger Coach Nagelsmann hatte sich Matarazzo bei der Ausbildung zum Fußball-Lehrer einst das Zimmer geteilt. In der Winterpause der Saison 2017/2018 holte Nagelsmann ihn dann als Assistent zu den Hoffenheimern. »Sicherlich habe ich auch von ihm Vieles mitgenommen«, sagte er.
Nach seiner ersten Einheit als Cheftrainer eines Profiteams präsentierte sich der in der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannte Matarazzo als Nachfolger von Tim Walter rund 40 Minuten den Medien. Im schwarzen Pullover und feiner Anzugshose trat der 42-Jährige auf, stellte sich als »optimistischer Realist« vor und beschrieb seinen Führungsstil als kritisch, ehrlich und kommunikativ.
»Ich denke nicht daran, was schiefgehen kann, sondern was wir zusammen erreichen können«, sagte er. »Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam im Team die Herausforderungen meistern werden.« Ein Angebot eines Zweitligisten habe er in der Vergangenheit abgelehnt. Nun sei er bereit für den VfB.
Der Auftrag für den studierten Mathematiker aus New Jersey im stets erwartungsreichen VfB-Umfeld ist unmissverständlich: Matarazzo soll die Schwaben, derzeit Tabellendritter, bis zum Saisonende auf Platz eins oder zwei der 2. Fußball-Bundesliga führen. Zugleich soll er den eigenen Nachwuchs stärker einbinden und die Fans mit einer attraktiven Spielweise überzeugen. Dass der Druck beim VfB besonders groß ist, weiß natürlich auch Matarazzo. Dass die Schwaben besonders viele Trainer verschleißen, hat ihn aber nicht abgeschreckt.
Es ist voll im Nebenraum des Club-Restaurants. Neben ihm hat Hitzlsperger Platz genommen, auch Mislintat ist mitgekommen. Matarazzo ist schon der vierte VfB-Trainer nach Markus Weinzierl, Nico Willig und Walter, seit Hitzlsperger im Februar 2019 zum Sportvorstand aufstieg. Erweist sich die riskante Verpflichtung als Fehlgriff und wird der Aufstieg im Mai verpasst, dürfte auch der Ruf des früheren Nationalspielers leiden.
Der Auftakt für Matarazzo hat es gleich in sich. Im ersten Heimspiel nach der Winterpause am 29. Januar ist Verfolger 1. FC Heidenheim zu Gast. Wie sein Vorgänger Walter will auch Matarazzo grundsätzlich am offensiven Stil festhalten. »Ich möchte Dominanz ausstrahlen.«
Zunächst aber reist der neue Cheftrainer am 10. Januar mit dem VfB ins Trainingslager nach Marbella. Dann werden vielleicht auch schon die VfB-Profis merken, dass der Trainer mit amerikanischer und italienischer Staatsbürgerschaft akribisch, strukturiert und lösungsorientiert arbeiten will. Dies sei auch von seinem Mathematik-Studium an der Ivy-League-Universität Columbia in New York hängengeblieben, sagte Matarazzo.
Weil er sich nicht vorstellen konnte, Tag für Tag im Büro zu sitzen, habe er sich nach seiner Spieler-Karriere für den Fußball als Beruf entschieden. »Ich habe ein paar Kumpels gehabt, die im Büro geschlafen haben. Ich habe gewusst, das will ich nicht - zumindest nicht sofort«, sagte Matarazzo.