In ihrer Heimat, dem südamerikanischen Andenhochland, ziehen die Vikunjas durch karge Berglandschaften in bis zu 5500 Metern Höhe. Kühlen Temperaturen und eisigen Winden widerstehen sie dank ihres isolierenden Haarkleids. Schon bei den Inkas galt Kleidung aus Vikunja-Wolle als sehr wertvoll und war dem hohen Adel vorbehalten. Zu bestimmten Zeiten wurden die wildlebenden Herden zusammengetrieben, um die Tiere zu scheren und anschließend wieder freizulassen. Mit den spanischen Einwanderern begann im 16. Jahrhundert jedoch die gezielte Jagd, was den Bestand bis in die 1960er Jahre an den Rand der Ausrottung brachte. Heute gibt es dank umfangreicher Schutzmaßnahmen wieder über 350.000 Vikunjas. Zudem sorgen auch Zoos und Tierparks für den Erhalt und die genetische Vielfalt dieser Tierart. Gemeinsam mit 80 anderen Einrichtungen beteiligt sich die Wilhelma am Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) für die Vikunjas, das seit 1985 geführt wird und die Grundlage für eine koordinierte, zooübergreifende Zucht bildet.
Viele der wildlebenden Kleinkamele tragen heute zum Lebensunterhalt der Andenbewohner bei, die die Wolle in der Tradition der Inkas alle zwei Jahre auf althergebrachte Weise gewinnen. Eine solche Schur ergibt pro Tier nur 150 Gramm nutzbare Fasern. Alpakas, die domestizierten Verwandten der wilden Vikunjas, bringen es dagegen auf etwa fünf Kilo. Sie gehören neben den Lamas und Guanakos ebenfalls zur Familie der Neuweltkamele und bewohnen in der Wilhelma ein Gehege neben dem kleinen Cox und seiner Familie. Da die Alpakas auf größtmöglichen Wollertrag gezüchtet wurden, müssen sie jedes Jahr geschoren werden. Bei den Vikunjas mit ihrem feinen Haarkleid ist das dagegen nicht nötig. Sie haben einen ganz natürlichen Fellwechsel und tauschen jahreszeitlich bedingt Wintermantel gegen Sommerkleid.
Von den isolierenden Eigenschaften der feinen Fasern profitieren schon die neugeborenen Fohlen. Sie müssen nicht nur von Anfang an der Herde über unwegsame Gebirgspfade folgen, sondern auch dem Frost trotzen können. »Die Jungtiere kommen bei den Vikunjas immer am Morgen oder Vormittag auf die Welt«, erklärt Tierpflegerin Karina Maurer. »So werden sie schnell von der Sonne gewärmt, denn die Mütter lecken ihre Fohlen nicht selbst trocken.« Das ist für die Kleinen überlebenswichtig, damit sie ihre erste kalte Nacht überstehen. Vikunja-Stute Lima durfte ihr Jungtier im geschützten Stall zur Welt bringen. Dort haben die beiden die ersten Nächte verbracht, bevor auch die anderen Herdenmitglieder den Neuankömmling kennenlernen durften. Bei trockenem Wetter streift der vier Wochen alte Cox nun regelmäßig auf der Außenanlage umher und lässt sich die Wintersonne auf die Wolle scheinen. (pr)