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Stuttgarter Krawallnacht: Polizei sucht Randalierer mit Fahndungsfotos

Ein besonders brutaler Angriff hat nach der Stuttgarter Krawallnacht für Entsetzen gesorgt, heute sollen Urteile fallen. Unterdessen durchforsten Ermittler weiter gewaltige Datenmengen auf der Suche nach Randalierern. Nun wird auch die Öffentlichkeit eingebunden.

Landgericht Stuttgart
Ein Schild weist an einer Fassade auf das Landgericht Stuttgart hin. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild
Ein Schild weist an einer Fassade auf das Landgericht Stuttgart hin. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

STUTTGART. Nach monatelangen Ermittlungen zur Stuttgarter Krawallnacht geht die Polizei auf der Suche nach weiter flüchtigen Randalierern an die Öffentlichkeit. Vom kommenden Montag an würden Fahndungsfotos von 17 bislang nicht identifizierten mutmaßlichen Tätern aus der Juni-Nacht des vergangenen Jahres veröffentlicht, sagte eine Polizeisprecherin. Zu jedem einzelnen Verdächtigen auf den Abbildungen gebe es einen richterlichen Beschluss.

Die meist jungen Männer gehören zu Dutzenden anderen, die nach einer Drogenkontrolle am späten 20. Juni 2020 in der Stuttgarter Innenstadt randaliert haben sollen. Polizisten waren bedroht, beworfen, getreten und verletzt, Schaufenster zerstört und Geschäfte geplündert worden. Die Vorfälle hatten weit über Stuttgart hinaus für Schlagzeilen und hitzige Debatten gesorgt. Videoüberwachung, Alkohol- und Aufenthaltsbeschränkungen wurden diskutiert, erste Kameras an zentralen Plätzen geplant.

Bei der Fahndung nach den Randalieren durchforsteten die Ermittler bislang nach eigenen Angaben rund 7000 Mediendaten und etwa 3000 schriftliche Hinweise. Insgesamt wurden rund 7,1 Terabyte Videomaterialien vor allem von Handys und aus sozialen Netzwerken wie Instagram, Facebook und Tiktok ausgewertet, zehn sogenannte Super-Recognizer mit guter Gesichtswiedererkennung wurden eingesetzt und mehr als mehr als 1200 Spuren abgearbeitet.

Bislang ermittelte die Polizei 130 Tatverdächtige, darunter 46 Jugendliche, 48 Heranwachsende und 35 Erwachsene sowie eine Person, die rechtlich noch als Kind zählt. »Die Ermittlungsbehörden lassen nicht locker, Detail für Detail dieser Nacht ans Tageslicht zu bekommen«, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Es seien 79 Haftbefehle im Zusammenhang mit den Ausschreitungen erlassen worden, 26 Tatverdächtige säßen in Untersuchungshaft. Zusammengerechnet verhängten die Richter bislang in den Verfahren an mehreren Amts- und Landgerichten 40 Jahre Freiheitsstrafe ohne und 20 Jahre mit Bewährung.

Die meisten dieser Urteile wurden vor dem Stuttgarter Amtsgericht gesprochen. »Wir haben bislang 34 Urteile in erster Instanz verkündet«, sagte dessen Sprecher Joachim Spieth. Es seien auch nochmal fast genau so viele anhänglich. »Man kann eigentlich fast sagen, dass täglich neue dazukommen.«

Den Tatverdächtigen wird vor allem Landfriedensbruch vorgeworfen, gegen mehrere wird wegen Hehlerei ermittelt und bei zwei weiteren wird am Freitag (11.00) vor dem Stuttgarter Landgericht das Urteil wegen versuchten Totschlags erwartet. Einer der beiden, ein heute 17-Jähriger aus Geislingen/Steige, soll einen am Boden liegenden und bereits bewusstlosen Studenten gegen den Kopf getreten haben. Gezielt, wie die Staatsanwaltschaft betont. Auch sein 19 Jahre alter Begleiter aus Esslingen steht im nichtöffentlichen Prozess wegen des Angriffs vor Gericht.

Das damals 24-jährige Opfer der beiden jungen Angeklagten hatte sich nach Darstellung der Staatsanwaltschaft gegen die Randalierer gestellt und sie aufgefordert, keine Flaschen mehr zu werfen. Das Opfer erlitt bei dem Angriff eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Schürfwunden. Die Öffentlichkeit war bereits am ersten Prozesstag und für den gesamten Rest der Hauptverhandlung ausgeschlossen worden. Vor allem der jüngere Angeklagte müsse wegen seines jugendlichen Alters geschützt werden, hatte die Kammer entschieden. (dpa)