Die rund eine Million Beschäftigten in der Metall- und Elektrobranche im Südwesten bekommen deutlich mehr Geld. Bei den Unternehmen sorgt der Tarifabschluss vom frühen Freitagmorgen für Zähneknirschen, wie am Tag nach der zwölfstündigen Verhandlungsrunde in Ludwigsburg klar wurde. IG Metall und Südwestmetall hatten sich auf eine zweistufige Lohnerhöhung um insgesamt 8,5 Prozent auf eine Laufzeit von 24 Monaten geeinigt. Dazu kommen steuerfreie Einmalzahlungen von in Summe 3000 Euro. Laut IG-Metall-Chef Jörg Hofmann bedeutet das etwa für einen Facharbeiter am Ende der Laufzeit grob 7000 Euro mehr.
Die Erhöhung von 8,5 Prozent sei hart an der Schmerzgrenze und mehr, als die aktuelle wirtschaftliche Lage im Maschinen- und Anlagenbau eigentlich hergebe, hieß es etwa vom Maschinenbauverband VDMA in Baden-Württemberg. Noch schwärzer sieht der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden, Christoph Münzer, das Tarifwerk: »Ein Kompromiss, der an manchen Stellen den Standort gefährdet.«
Insgesamt sei das Ergebnis von der Nacht zum Freitag für die Unternehmen - bis auf wenige Ausnahmen - gerade noch so erträglich, sagte Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick nach der Verhandlungsnacht. »Das ist schon unglaublich viel, was wir hier vereinbart haben, angesichts der unsicheren Aussichten für 2023 und den offenen Aussichten für 2024.« Dick stellte heraus, dass die Unternehmen die Auszahlung der 3000 Euro zu zwei Tranchen variabel schieben und damit die Jahresbelastungen steuern könnten. Mit Blick auf 2024 schwinge aber auch viel das Prinzip Hoffnung mit.
Verärgert zeigte er sich über Streikdrohungen der IG Metall für Baden-Württemberg. »Diese Androhung, nur in Baden-Württemberg eine Urabstimmung zu machen und in den übrigen Regionen nicht, halte ich für einen ganz schwierigen Vorgang.« Eigentlich gehe er davon aus, dass die verhandlungsführende Region nicht mehr rangenommen werde als andere Regionen. Da müsse man mit der IG Metall zu gegebener Zeit noch mal reden.
IG-Metall-Bundeschef Jörg Hofmann hatte vorab im Falle eines Scheiterns der Gespräche am Freitag unter anderem mit Urabstimmungen und Flächenstreiks in einzelnen Regionen gedroht. »Da wäre Baden-Württemberg auf jeden Fall dabei«, hatte er gesagt. Davon habe man sich natürlich beeindrucken lassen müssen, sagte Dick am Freitag.
Der Bezirksleiter der IG Metall Roman Zitzelsberger sagte dazu, die Gewerkschaft habe sich bis zum Schluss offen gehalten, ob in Baden-Württemberg 24-Stunden-Warnstreiks oder eine Urabstimmung in Frage kämen. »Dass ich am Tisch dann das größere Schwert auf den Tisch lege, das möge man mir verhandlungstaktisch zugestehen. Dass das meinem Verhandlungspartner nicht gepasst hat, war mir vollkommen klar.«
Er habe bei der Frage nach einem möglichen Pilotabschluss im Südwesten schon früh sein »Fähnchen in den Boden gerammt«, sagte er am Freitag. Das sei zum einen darin begründet, dass in Baden-Württemberg die extreme Heterogenität in der Branche unter dem Brennglas zu beobachten sei. Zum anderen hätten seine Leute schon früh den Anspruch an ihn herangetragen: »Zitzelsberger, wir wollen jetzt auch mal wieder in Baden-Württemberg das Ding lösen.«
Zitzelsberger wird als Nachfolger von IG-Metall-Bundeschef Jörg Hofmann auf dem 2023 anstehenden Gewerkschaftstag gehandelt. Er habe definitiv nicht daran gedacht, ob der Pilotabschluss einer möglichen Kandidatur nütze oder schade, beteuerte Zitzelsberger erneut.
Begleitet von bundesweiten Warnstreiks wurde im Forum Ludwigsburg zwölf Stunden lang teils mit harten Bandagen verhandelt. Obwohl zahlreiche Details bereits vorab geklärt waren, verhakten sich die Kontrahenten bei Laufzeit und Höhe der Lohnerhöhungen. »Das war dann auch fast ein Dealbreaker«, sagte Harald Marquardt, der die Verhandlungen für die Arbeitgeber geführt hatte.
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