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Ladenhüter Ganztagsschule? Zahlen befeuern Koalitionsstreit

Nur wenige Grundschulen machen sich auf, Ganztagsschule zu werden. Das zeigen neue Zahlen. Sie befeuern den grün-schwarzen Streit darum, wie die Ganztagsbetreuung von Kindern im Südwesten künftig aussehen soll.

Schüler im Klassenzimmer.
Schüler im Klassenzimmer. Foto: Fotolia
Schüler im Klassenzimmer.
Foto: Fotolia
STUTTGART. Nur wenige Schulen im Südwesten wollen sich noch zur Ganztagsschule weiterentwickeln. Zum Schuljahr 2019/20 gehen 26 neue Ganztagsschulen an den Start. Damit gibt es dann 488 solcher Schulen im Südwesten, teilte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Dienstag in Stuttgart mit. Die oppositionelle SPD wertete die Zahlen als Beleg dafür, dass der Ausbau ins Stocken geraden sei. Die mitregierende CDU erneuerte ihre Forderung nach einer flexiblen Ganztagsbetreuung, bei der auch außerschulische Angebote ihren Platz haben und vom Land gefördert werden.

Bei den neu genehmigten Ganztagsschulen handelt es sich um 14 Grundschulen, vier Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ - früher: Sonderschulen) und acht weiterführende Schulen. Eine Ganztagsschule ist nach dem Landesgesetz entweder eine Schule, an der alle Schüler verbindlich am Ganztagsangebot teilnehmen, oder an der es sowohl Ganztags- als auch Halbtagsschüler gibt.

Erstmals liegt dem Ministerium auch ein Antrag auf Aufhebung einer Ganztagsschule vor. Die Grundschule Grießen (Landkreis Waldshut) will nur noch ein flexibles kommunales Betreuungsangebot anbieten.

Die neuen Zahlen befeuern den Streit in der grün-schwarzen Koalition über die künftige ganztägige Kinderbetreuung. Kultusministerin Eisenmann will, dass das Land im Schuljahr 2020/2021 kommunale Betreuungsangebote bezuschusst, auch wenn es an einem Standort ein offizielles Ganztagsangebot einer Grundschule gibt. Nach Eisenmanns Vorstellung - und nach Meinung vieler in der CDU-Fraktion im Landtag - sollen sich diese beiden Betreuungsangebote ergänzen.

Hingegen sind die Landtags-Grünen der Meinung, dass sich das Land nur dort an kommunalen Betreuungsangeboten beteiligen soll, wo es keine Grundschulen mit einem offiziellen Ganztagsangebot gibt. Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser sagte, so, wie Eisenmanns Paket auf dem Tisch liege, sei es nicht finanzierbar und auch nicht im grün-schwarzen Koalitionsvertrag vereinbart. Geld und Personal seien begrenzt. Für die Grünen hätten Projekte Vorrang, die die Qualität an den Schulen weiterbrächten - etwa die Stärkung der Schulleitungen.

Die grün-rote Vorgängerregierung strebte an, dass im Jahr 2023 rund 70 Prozent der Grundschulen und Grundstufen der SBBZ im Ganztagsbetrieb laufen. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart und CDU-Bildungsexperte Karl-Wilhelm Röhm teilten mit, die Wirklichkeit sehe anders aus: Von den 2339 Grundschulen und 244 SBBZ im Land seien im laufenden Schuljahr nur rund 18,2 Prozent Ganztagsschulen. Und dass die Grundschule in Grießen auf ein flexibles kommunales Betreuungsangebot umsteigen wolle, spreche Bände. SPD-Bildungsexperte Daniel Born wiederum hielt der grün-schwarzen Regierung vor, mit ihrem Koalitionsstreit Unsicherheiten zu schüren.

Die Ganztagsschule war in Baden-Württemberg jahrzehntelang nur ein Modellversuch. Im Juli 2014 stimmte der Landtag mit grün-roter Mehrheit dafür, sie - zumindest für die Grundschulen und die SBBZ - regulär im Schulgesetz zu verankern. Die damalige Opposition aus FDP und CDU votierte dagegen. An weiterführenden Schulen gibt es Ganztagsangebote nach wie vor nur im Rahmen eines Schulversuchs. (dpa)