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Kretschmann will Lockdown-Gespräche und kündigt Projekte wie in Tübingen an

»Mir brennt der Kittel«: Kretschmann dringt auf Gespräche mit Bund und Ländern wegen der bedrohlich ansteigenden dritten Corona-Welle. Doch zuhause lockert er die Kontaktregeln der Notbremse - anders als der Nachbar in Bayern.

Stuttgart (dpa/lsw) - Angesichts schnell steigender Corona-Zahlen hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann rasche Gespräche mit Bund und Ländern über einen harten Lockdown und andere Gegenmaßnahmen in Aussicht gestellt. »Erstmal überlegen wir alle solche Sachen«, sagte der Grüne am Wochenende in Stuttgart. »Wir müssen das auch mit anderen Ländern vorbesprechen, mit dem Bundeskanzleramt. Wir sehen halt, die Zahlen rasen förmlich hoch.« Zum Herunterfahren des gesamten gesellschaftlichen Lebens sagte er: »Aus pandemischer Sicht wäre das am besten.« Allerdings müsse man genau abwägen, ob es sinnvoll und machbar sei, alles zuzumachen. Bei Gesprächen am Montag und Dienstag müsse man »zu Klarheit kommen«.

Kretschmann lockert aber Kontaktregeln der Notbremse

Zwar pocht Kretschmann auch auf die konsequente Umsetzung der Notbremse in Hotspot-Gebieten mit über 100 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in einer Woche. Gleichwohl lockerte seine Landesregierung am Sonntag die Regeln für private Zusammenkünfte in Gebieten mit hohen Infektionszahlen - im Gegensatz zum Nachbar Bayern. Treffen von zwei Haushalten mit bis zu fünf Personen sind von diesem Montag an auch in Gegenden mit mehr als 100 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner erlaubt. Die Notbremse sieht eigentlich vor, dass sich in Hotspot-Regionen mit einer Inzidenz von über 100 nur ein Haushalt mit einer zusätzlichen Person treffen darf. Zuletzt hatte es geheißen, die Lockerung sei eine Sonderregelung für die Osterfeiertage

Söder rügt einige Länder: Ernst der Lage noch nicht verstanden

CSU-Chef Markus Söder sagte der »Augsburger Allgmeinen« (Montag): »Die Corona-Lage spitzt sich zu, einige Länder haben den Ernst der Lage leider noch nicht verstanden«. Bayerns Ministerpräsident fügte hinzu: »Überall in Deutschland muss bei einer Inzidenz über 100 automatisch die Notbremse greifen.« Es dürfe keinen »Flickenteppich« mehr geben - »dazu gehören Ausgangsbeschränkungen wie in Bayern und Baden-Württemberg«. Im Südwesten gelten in Gebieten über einer Inzidenz von 100 Ausgangsbeschränkungen von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr. Söder äußerte sich skeptisch zu Forderungen nach einem schnellen Bund-Länder-Treffen. Die nächste Konferenz ist für den 12. April geplant.

Kreise im Südwesten sollen schneller Notbremse ziehen

Kretschmann, der derzeit auch noch Gespräche über eine neue Koalition führt, hatte am Samstag gesagt: »Die Zahlen steigen und mir brennt der Kittel.« Die landesweite Inzidenz steigt und steigt und liegt mittlerweile bei etwa 120. Der Grüne betonte zudem, es würden keine Verzögerungen bei der Notbremse mehr zugelassen. »Das wird strikt durchgesetzt. Da gibt es kein Vertun mehr«, sagte er der dpa. In der Regierung wächst dem Vernehmen nach der Ärger über Stadt- und Landkreise, die die Notbremse zunächst nicht konsequent anwenden, obwohl sie den Grenzwert schon mehr als drei Tage lang überschritten haben.

Zum Beispiel hatte Stuttgart erklärt, erst die neue Corona-Verordnung abwarten und frühestens am Dienstag die Notbremse ziehen zu wollen. Dann müssten zum Beispiel Geschäfte und Museen wieder geschlossen werden. Die Landeshauptstadt liegt seit Mittwoch über der Inzidenz von 100. Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Alexis von Komorowski, entgegnete: »Die Landesregierung hat es in der Hand, durch bessere Regelungen in der Corona-Verordnung die Unsicherheiten bei der Umsetzung der Notbremse zu beseitigen.«

Von Bund-Länder-Treffen bleibt nur Maskenpflicht im Auto

Nachdem Bund und Länder am vergangenen Mittwoch kurzfristig die sogenannte Osterruhe wieder kassiert haben, bleibt von den angedachten Verschärfungen zunächst nur die Maskenpflicht für Mitfahrende im Auto übrig. Demnach müssen künftig Menschen, die bei anderen im Auto mitfahren, eine medizinische Maske tragen - solange sie nicht zu einem Haushalt gehören. Paare, die nicht zusammenleben, gelten als ein Haushalt. Das Staatsministerium veröffentlichte am Sonntag eine entsprechende Verordnung.

Buchläden müssen zurück zu Click&Meet

Darüber hinaus müssen die Buchhändler ab Montag ihre Läden wieder für den normalen Publikumsverkehr schließen. In der neuen Corona-Verordnung wurden die Buchläden aus der Liste der Grundversorger gestrichen. Grund ist ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. »Der Buchhandel gehört nicht mehr zum Einzelhandel des täglichen Bedarfs.« Wer ein Buch kaufen will, muss nun wieder einen Termin ausmachen, um sich im Laden umsehen zu können (Click&Meet). In Hotspot-Regionen gilt, dass man ein Buch online bestellen und es dann nach Vereinbarung eines Termins abholen kann (Click&Collect).

Auf Modell Tübingen sollen weitere folgen

Der Regierungschef kündigte an, neben Tübingen weitere Modellprojekte für Lockerungen mit Hilfe von verstärkten Tests zulassen zu wollen - aber noch nicht so schnell. »Ja, das nehmen wir mal ins Auge.« Mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen sagte er: »Es sieht aber jeder, dass jetzt gerade nicht die günstigste Zeit ist.« Da müsse man noch ein bisschen warten, bis die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse aus Tübingen vorlägen. Grundsätzlich sei das aber seine Linie: »Sehr hart sein, dort aber, wo man sich freitesten kann, auch lockern.«

Änderung der Corona-Verordnung zum 29.3.