Stuttgart (dpa/lsw) - Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat seinen Sozialminister Manne Lucha (beide Grüne) gegen den Vorwurf der Kungelei verteidigt. Es geht dabei um zwei Abendessen Luchas mit dem Kabarettisten Christoph Sonntag, die dieser bezahlt hatte. Kretschmann sagte dazu am Dienstag: »Es ist offensichtlich doch besser, man bezahlt selber. Dann hat man einfach keinen Stress. Aber einen Skandal kann ich darin überhaupt nicht erkennen.«
Hintergrund der Vorwürfe gegen Lucha ist ein Jugendprojekt des gemeinnützigen Unternehmens »Stiphtung Christoph Sonntag«. Die Landeszentrale für politische Bildung hatte dafür nach Angaben des Ministeriums rund 211 000 Euro Landesmittel im Voraus ausbezahlt. Sonntag rechnete später 180 000 Euro ab - die Differenz zwischen den beiden Summen habe Sonntag zurückgezahlt, sagte eine Sprecherin.
Die Essen fielen in einen Zeitraum, in dem sich Sonntag um eine Verlängerung des Projekts bemühte. Lucha hatte im Herbst erklärt: »Es gibt keine Vermischung dienstlicher und privater Interessen.« Zuletzt räumte er aber ein, es sei ein »großer Fehler« gewesen, dass Sonntag die Kosten für die beiden Abendessen übernommen habe.
Kretschmann verwies auf die Größenordnung eines Ministergehaltes. Dieses vor Augen, sei es doch ziemlich weit hergeholt zu meinen, ein bezahltes Essen habe eine Wirkung auf einen Minister. Ob man bei so einem Gespräch Dinge tue, die man nicht tun solle, hänge nicht davon ab, ob man das Essen bezahlt bekomme - jedenfalls nicht, wenn man in ein gewöhnliches Lokal gehe, wo ein Essen 50 bis 100 Euro koste. Kretschmann verwies auf eine Regelung, wonach Minister grundsätzlich keine Geschenke von mehr als 150 Euro annehmen dürfen.
Selbst dann, wenn Lucha diese Regel übertreten habe, sei das nicht besonders skandalträchtig. »Ich halte das für eine überspannte Debatte.« Kretschmann kritisierte: »Man skandalisiert alles und jedes. Und wenn es nachher wirkliche Skandale sind, sind es keine mehr.« Was Luchas generellen Umgang mit Sonntag betreffe, habe er von Lucha die Information, dass dieser sich korrekt verhalten habe.
Die Diskussion um die Verwendung der Fördermittel hatte Sonntags Ehefrau angestoßen. Sie lebt heute von ihm getrennt und wirft dem Kabarettisten einen möglichen unkorrekten Umgang mit dem Geld vor. Die Landeszentrale für politische Bildung hat im September nach einer Prüfung erklärt, die Beträge seien korrekt abgerechnet worden. Das Sozialministerium hingegen prüft noch etwaige Rückzahlungsansprüche.
Die oppositionelle FDP sieht eine »Amigo-Affäre« und droht mit einem Untersuchungsausschuss im Parlament. Vize-Fraktionschef Jochen Haußmann sprach von Rechtsbrüchen, die Kretschmann achselzuckend zur Kenntnis nehme. Die gemeinsamen Essen seien zu einem Zeitpunkt gewesen, als sich Sonntag intensiv um die Verlängerung der Projektfinanzierung beim Sozialministerium bemüht habe. »Unabhängig davon ist es generell inakzeptabel, wenn sich Minister von Menschen einladen lassen, denen sie später großzügig Steuergelder verteilen.«
Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Sabine Wölfle, meinte: »Vor der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind mildere und kostengünstigere Mittel zur Wahrheitsfindung und zur Überwachung des Regierungshandelns zu überprüfen. Gemeinsam mit der FDP haben wir deshalb Sozialminister Manfred Lucha eine Frist bis zum 7. Februar gesetzt. Danach werden wir uns gemeinsam mit der FDP über weitere Schritte verständigen.«
Nach der Landesverfassung muss der Landtag einen U-Ausschuss einsetzen, wenn ein Viertel seiner Mitglieder oder zwei Fraktionen dies verlangen. Die ebenfalls oppositionelle SPD hat sich noch nicht klar dazu geäußert, ob sie so ein Gremium mittragen würde.