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Kretschmann »tief beunruhigt« über Viertklässler-Schwächen

Was ist der Ausweg aus der Bildungsmisere? Der Regierungschef ist alarmiert wegen der immer größeren Deutsch- und Mathelücken der Viertklässler. Doch er wehrt sich gegen »immer dieselbe Leier« der Lehrerverbände.

Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Bernd Weißbrod
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht bei einer Pressekonferenz.
Foto: Bernd Weißbrod

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich »tief beunruhigt« über die schwachen Leistungen vieler Grundschüler in Baden-Württemberg gezeigt. »Das ist nicht akzeptabel«, sagte der Grüne-Politiker am Dienstag in Stuttgart. Man werde die Daten der am Montag vorgestellten Studie zu den Leistungen der Viertklässler in der Regierung genau analysieren und dann Maßnahmen ergreifen. Er warnte jedoch davor, wie die Gewerkschaft GEW ständig nach mehr Lehrkräften zu rufen. Das sei »immer dieselbe Leier. Die hat mit dem Problem nichts zu tun«. Es gehe nicht um die Zahl der Lehrkräfte, sondern um die Qualität des Unterrichts. Die GEW lud ihn prompt zum Besuch in einer der 2400 Grundschulen ein, um zu sehen, dass das Land beim Verhältnis Lehrkraft pro Schüler bundesweit auf dem letzten Platz liege.

Kretschmann sagte, die Regierung habe schon vor längerer Zeit die Weichen gestellt. Er erinnerte daran, dass das Land nach dem Absturz bei der Studie 2016 zwei wissenschaftliche Institute gegründet und eine Reihe von Maßnahmen ergriffen habe, um die Basiskompetenzen in Deutsch und Mathe zu stärken. »Man sieht, dass wir darauf reagiert haben, aber wir haben noch viel zu tun.« Der Grüne kündigte einen »Kabinettsabend« zu dem Thema an, denn alle Ministerien seien beunruhigt über den Befund der Studie. Die Regierung müsse den Blick vor allem auf die frühkindliche Bildung lenken. Jedoch dauere es erfahrungsgemäß sehr lange, bis ergriffene Maßnahmen wirkten. Das sei ein »Dilemma der Politik«.

Der Regierungschef verwies darauf, dass Baden-Württemberg mit fast 50 Prozent nach Bremen die höchste Quote an Kindern mit ausländischen Wurzeln habe. Das spiele sicher auch herein in die Ergebnisse, die schwierig zu interpretieren seien. »Vieles andere ist nämlich schwer erklärbar.« Nach der Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) haben die Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse im Südwesten zunehmende Probleme beim Lesen und Zuhören. Der Anteil der starken Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard in Deutsch und Mathematik schaffen oder übertreffen, ist gesunken. Fast jedes fünfte Kind schafft die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht.

Für die FDP kommen die Worte Kretschmanns einer »Kapitulation vor den hausgemachten bildungspolitischen Problemen« gleich. Bildungsexperte Timm Kern sagte, der Grünen-Politiker sitze seit über elf Jahren am Schalthebel der baden-württembergischen Politik, deshalb könne dieser sich seine Kommentare über die späte Wirkung von Maßnahmen sparen. Es sei offensichtlich, dass etwa die Gründung des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) nichts zu einer besseren Qualität beigetragen habe.

Die GEW hielt Kretschmann vor, dass Hamburg besser abschneide als Baden-Württemberg. Es könne doch daran liegen, dass in Hamburg eine Pädagogin in der Grundschule nur 13 Kinder unterrichte, während in Baden-Württemberg eine Lehrkraft 19 Kindern gerecht werden müsse, sagte Vize-Landeschefin Ricarda Kaiser. Die Gewerkschaft erwarte, dass das Land die jahrelange Vernachlässigung der Grundschulen beende und im Doppelhaushalt mehr Stellen in den Grundschulen einplane.

© dpa-infocom, dpa:221018-99-169159/3