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Kretschmann kündigt Konsequenzen nach Missbrauchsfall an

Die Urteile im grausamen Freiburger Missbrauchsfall sind gefällt. Ministerpräsident Kretschmann nimmt nun erstmals Stellung - und kündigt an, dass der Fall für ihn noch lange nicht abgeschlossen ist.

Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Sebastian Gollnow/Archiv
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Sebastian Gollnow/Archiv

STUTTGART. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich nach den Urteilen im grausamen Freiburger Missbrauchsprozess entsetzt über den Fall gezeigt - und eine umfassende Aufarbeitung angekündigt. »Wir müssen genau schauen, ob und welche Fehler in diesem konkreten Fall gemacht wurden«, betonte der Grünen-Politiker am Mittwoch. Zudem müsse geprüft werden, ob und welche Verbesserungen beim Kinder- und Jugendschutz vorgenommen werden könnten. »Wir müssen alles dran setzen, dass das Wohl unserer Kinder und Jugendlichen bestmöglich geschützt wird.«

Ein Paar aus dem badischen Staufen hatte einen heute Zehnjährigen mehr als zwei Jahre vielfach vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen. Die 48 Jahre alte Mutter war am Dienstag vom Landgericht Freiburg zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden, ihr 39 Jahre alter Lebensgefährte zu zwölf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Das Kind war über das Internet an Männer aus dem In- und Ausland verkauft worden.

Kretschmann äußerte sich am Mittwoch erstmals öffentlich zu dem Missbrauchsfall. »Diese schreckliche Taten sind unfassbar und für jeden normal denkenden Menschen unvorstellbar, mir geht das auch persönlich tief unter die Haut«, betonte der Politiker.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hatte Kretschmann und die grün-schwarze Landesregierung am Dienstag zu einer umfassenden Aufarbeitung von Verfehlungen und Versäumnissen aufgefordert. »Und zwar nicht nur in internen Arbeitsgruppen, sondern unter Hinzuziehung von externem Sachverstand aus Wissenschaft und Praxis«, sagte Rörig am Dienstag im ZDF-»heute journal«. Da sehe er auch den Ministerpräsidenten Kretschmann in der Pflicht, Schlüsse aus der Aufarbeitung zu ziehen. Es deute viel auf strukturelle Probleme hin, sagte Rörig in der »ARD« und nannte etwa eine Überlastung von Jugendämtern.

Kretschmann betonte, die Landesregierung habe bereits eine Arbeitsgruppe aus Sozial-, Justiz- und Innenministerium eingerichtet. »Diese Arbeitsgruppe wird nun nach Abschluss des Gerichtsverfahrens und der Auswertung des Berichts der Behörden vor Ort zeitnah Ergebnisse liefern«, sagte er.

Der Fall soll landesweit zum Anlass genommen werden, die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Stellen zu verbessern, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums in Stuttgart. Dazu diene unter anderem die Arbeitsgruppe. Zudem komme bis Ende 2019 das landesweite Kinderschutzkonzept zum Tragen, das im vergangenen Dezember vorgelegt wurde. Darin verankert seien unter anderem Fortbildungen für Mitarbeiter von Jugendämtern. »Wir wollen, gemeinsam mit dem Deutschen Jugendinstitut und den Kommunen, für alle Jugendämter im Land einheitliche Vorgehensweisen erarbeiten«, hatte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) vor den Urteilen im Missbrauchsfall Staufen erklärt. Ziel sei es, für Gefahren zu sensibilisieren und Kindesmissbrauch zu verhindern.

Die Aufarbeitung dürfe nach den Urteilen nicht beendet sein, forderte der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt. »Die AWO fordert eine Fortbildungspflicht für Familienrichterinnen und Familienrichter«, sagte Bundeschef Wolfgang Stadler. Zudem brauche es einen verpflichtenden Austausch zwischen Familiengericht, Jugendamt und Staatsanwaltschaft.

»Der Staat muss auch Behördenmitarbeiter besser ausbilden, damit künftig sichergestellt ist, dass unschuldige Kinder perversen Kriminellen nicht ausgeliefert sind - schon gar nicht über einen längeren Zeitraum«, sagte die Bundesgeschäftsführerin der Opferhilfsorganisation Weißer Ring, Bianca Biwer, der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Mittwoch).

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, forderte anlässlich des Falls die Einführung der Vorratsdatenspeicherung. »Jeden Tag gehen beim Bundeskriminalamt Hinweise auf den sexuellen Missbrauch von Kindern ein«, sagte Münch der »Berliner Zeitung«. In vielen Fällen sei der einzige Hinweis auf den Täter die IP-Adresse seines Computers. »Doch den Ermittlerinnen und Ermittlern sind häufig die Hände gebunden«, beklagte der BKA-Präsident. »Grund ist die nicht umgesetzte Vorratsdatenspeicherung: Allein im Jahr 2017 konnten über 8000 Hinweise auf Kinderpornografie nicht weiter ermittelt werden.«