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Koalition: Deutschland im Déjà-vu

Bundeskabinett
Mit einer Online-Petition richteten sich Tausende gegen Merz und seine »Stadtbild«-Äußerung. (Archivbild) Foto: Christoph Soeder/DPA
Mit einer Online-Petition richteten sich Tausende gegen Merz und seine »Stadtbild«-Äußerung. (Archivbild)
Foto: Christoph Soeder/DPA

Statt des Herbstes der Entscheidungen droht ein Herbst der Enttäuschungen und der Resignation. Groß war die Erleichterung über das Ampel-Aus, doch nicht einmal ein halbes Jahr, nachdem Olaf Scholz aus dem Kanzleramt ausgezogen ist, fühlen sich viele Bürger wie in einem Déjà-vu: eine zerstrittene Koalition, ein Kanzler der die Debatten laufen und Führung vermissen lässt. Friedrich Merz hat die »Stadtbild«-Debatte angezettelt, ohne zu sagen, was er konkret meint. Kein Wunder, dass das Vertrauen der Leute in die Bundesregierung schon jetzt auf einem Tiefststand liegt: Beinahe die Hälfte der Bevölkerung rechnet mit einem vorzeitigen Bruch – noch bevor die Legislaturperiode 2029 endet.

Diese Skepsis ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Schieflage, die sich im Alltag vieler Menschen bemerkbar macht: Stadtzentren werden zum Ort hitziger Kundgebungen, die politischen Ränder polarisieren, während die Bundesregierung auf zentralen Feldern wie Wirtschaft, Migrationspolitik und Sicherheit nicht als handlungsstark wahrgenommen wird. Trotz zuletzt kleiner Verluste bleibt die AfD mit 26 Prozent weiterhin stärkste Umfragen-Kraft, gefolgt von der Union mit nur 24 Prozent. Die SPD kommt auf katastrophale 15 Prozent. Ein klares Zeichen der Unzufriedenheit mit dem Regierungsbündnis und des wachsenden Protestpotenzials.

Die Sorge, dass Deutschland ausgerechnet in einer Zeit größter Herausforderungen in politischen Stillstand oder gar einen Koalitionsbruch taumelt, ist ein Alarmsignal. Jene, die sich großspurig Volksparteien nennen, stehen vor einer einfachen, aber fundamentalen Frage: Wie können sie Vertrauen zurückgewinnen? Es braucht weniger parteipolitische Kleingeisterei und mehr solides Regierungs-Handwerk sowie die Bereitschaft, sich den Problemen der Zeit zu stellen. Mit Mut, Klarheit und Empathie. Sonst könnte der bevorstehende Winter auch zu einem Winter des Demokratiefrusts werden, in dem Verdruss und Resignation noch weiter an Boden gewinnen.

 

politik@gea.de