Nach langem Ringen hat sich die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg auf ein neues Klimaschutzgesetz mit weitreichenden Maßnahmen und Zielen verständigt. Nach der CDU nahm am Donnerstag auch die Grünen-Fraktion den kurz zuvor ausgehandelten Kompromiss einstimmig an. Der Entwurf sieht ehrgeizige Ziele für die Einsparung von Treibhausgasen etwa im Verkehr und der Landwirtschaft vor. Außerdem sollen die Kommunen künftig auch die Eigentümer von älteren Gebäuden zwingen können, sich an ein neues Wärmenetz anzuschließen. Ursprünglich wollten die Grünen auch eine Ausweitung der Solarpflicht auf alle Gebäude im Land. Doch hier sperrte sich die CDU und setzte eine Verschiebung des Themas durch.
Was sind die neuen Ziele im Gesetzentwurf?
Mit der Novelle will Baden-Württemberg das erste Bundesland sein, das konkrete Ziele für die Reduzierung von klimaschädlichem CO2 für die unterschiedlichen Bereiche gesetzlich verankert. Grüne und CDU übernahmen nach dpa-Informationen die Richtgrößen, die ein Gutachten im Auftrag des Umweltministeriums ergeben hatte: Demnach muss etwa die Landwirtschaft den Ausstoß bis 2030 um 39 Prozent gegenüber 1990 senken - die Energiewirtschaft um 75 Prozent, die Industrie um 62 Prozent, der Verkehr um 55 Prozent und der Gebäudesektor um 49 Prozent. Gegen diese Ziele hatte es in den zuständigen Ministerien teilweise erheblichen Widerstand gegeben.
Klar ist, dass die Regierung ihre Anstrengungen vervielfachen muss, um die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen: Grün-Schwarz will bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber dem Jahr 1990 um mindestens 65 Prozent senken. Bis 2040 soll das Land klimaneutral werden. Klimaneutralität bedeutet, dass nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden dürfen wie wieder gebunden werden können. Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) will den Entwurf am kommenden Dienstag vorstellen. Sie mahnt immer wieder an, dass die erneuerbaren Energien dringend ausgebaut werden müssen. Ein zentraler Hebel sei aber auch eine Reduzierung des Tierbestands und ein geringerer Konsum von Fleisch. Der Gesetzentwurf muss noch vom Landtag verabschiedet werden.
Was waren die großen Streitpunkte?
Neben den konkreten Sektorenzielen wurde dem Vernehmen nach lange über den Anschluss- und Benutzungszwang bei der Wärmeversorgung diskutiert. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz hatte sich dafür stark gemacht. Nun wollen Grüne und CDU demnächst die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen und die Gemeindeordnung ändern. Letztlich soll die Entscheidung aber bei Städten und Gemeinden liegen. Wenn eine neue Infrastruktur, etwa ein Wärmenetz, gebaut wird, kann die Kommune dann auch die Besitzer älterer Immobilien zumindest dazu zwingen, sich die Leitung auf ihr Grundstück legen zu lassen. Zwar können diese Eigentümer theoretisch auch dazu verpflichtet werden, die neue Wärmequelle auch abzunehmen. Doch es gilt als eher unwahrscheinlich, dass die Kommunen auf dieses Mittel zurückgreifen.
Die Grünen drängten auch darauf, die Solarpflicht auszuweiten. Schon im vergangenen Jahr hatte der Landtag eine Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen für alle Neubauten und auch bei grundlegenden Dachsanierungen beschlossen, die in diesem schrittweise eingeführt worden ist. Nun sollte die Pflicht auf alle Bestandsgebäude ausgeweitet werden. Die Koalition einigte sich aber nun darauf, das Thema im nächsten Jahr erneut aufzurufen. Das Ziel sei, dass die Ausweitung der Solarpflicht bis 2035 kommen solle.
Was steht sonst noch in dem Entwurf?
Es soll einen sogenannten Klimavorbehalt geben, wonach neue Förderprogramme des Landes daraufhin überprüft werden, ob sie klimaschädlich sind. Von 2040 an soll es dann nur noch »klimafreundliche Förderprogramme« geben. Das bedeutet zum Beispiel, dass Umbaumaßnahmen in Schulen nur noch dann vom Land finanziell unterstützt werden, wenn diese nicht dem Klima schaden. Eine neue Ölheizung wäre demnach nicht mehr förderfähig.
Was stand bisher drin im Klimaschutzgesetz?
Stolz verweist das Land darauf, dass Baden-Württemberg schon handele, während der Bund und andere Länder noch darüber nachdächten, konkrete Maßnahmen in das Klimaschutzgesetz zu schreiben. Neben der Solarpflicht gebe es schon eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung für die 103 größten Städte im Land. Damit soll es gelingen, beim Heizen von fossilen Brennstoffen wegzukommen und auf erneuerbare Quellen umzusteigen. Auch sei das Mindest-Flächenziel von zwei Prozent in den Regionalplänen für den Ausbau von Windkraft- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen verankert. Allerdings kommt der Südwesten beim Bau von Windkraftanlagen bisher nur schleppend voran.
Worauf pocht die CDU?
Die Christdemokraten fordern in puncto Wärmewende einen stärkeren Fokus auf Biogas. Die CDU dringt darauf, dass verstärkt schnell wachsendes Holz angebaut werden soll, um das Angebot an Biomasse zu vergrößern. Sie will außerdem die bisher ungenutzten Potenziale der Tiefengeothermie im Land ausschöpfen. Diese Technologie war wegen der Schäden durch Bohrungen im südbadischen Staufen bei Freiburg im Jahr 2007 in die Schlagzeilen geraten. Die Union will der Skepsis in der Bevölkerung entgegenwirken und fordert eine Prüfung, »ob das Land Ausfallbürgschaften für Bohrungen übernehmen kann, um Ängste abzubauen«.
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