Lange rot-weiße Absperrbänder und Schilder mit der Aufschrift »Krebspest« signalisieren Einheimischen und Touristen, dass es im sonst idyllischen Schwarzwald-Flüsschen Brugga eine Tierseuche gibt. Die neuen Barrieren sollen Spaziergänger und Tiere davon abhalten, sich dem Gewässer zu nähern, wie Regina Biss vom Naturschutzreferat des Regierungspräsidiums Freiburg der Deutschen Presse-Agentur in Kirchzarten (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) sagte.
»Wir haben zudem mehrere Dämme gebaut, damit das Wasser der Brugga nicht über Verbindungsgewässer wie den Mühlbach in andere Bäche gerät«, sagte Biss.
Naturschützer und Experten gehen bereits seit 2019 gegen die Krebspest in dem Gebiet vor. Nun wird der Kampf verstärkt. Die Seuche gefährdet den geschützten und sehr seltenen Dohlenkrebs, der in der Gegend immer noch vorkommt. »In der Brugga gab es bisher die größte Population von Dohlenkrebsen in Deutschland«, resümierte Biss. Für den Menschen sei die Seuche ungefährlich.
Der Biologe Christoph Chucholl von der Fischereiforschungsstelle des Landes hebt die Bedeutung des Vorgehens hervor: »Vergleichbare Maßnahmen gibt es bundesweit nicht. Da sind wir Vorreiter«, sagte der Biologe. Dohlenkrebse gebe es in Deutschland nur im südbadischen Raum. Der ursprüngliche Bestand in der Brugga wurde demnach auf mwhe als 20.000 Tiere geschätzt.
In Baden-Württemberg gibt es derzeit keine vergleichbaren Fälle, wie das Stuttgarter Umweltministerium auf Anfrage bestätigte. In der Vergangenheit kamen in den Regierungsbezirken Karlsruhe und Stuttgart allerdings Krebspestausbrüche vor.
Der Gewässerbiologe Christian Günter ist beauftragt, den Bestand in der Brugga einmal im Monat zu untersuchen. Er hält einen etwa zehn Zentimeter langen Dohlenkrebs in der Hand, der offensichtlich noch gesund ist. »Infizierte Tiere neigen dazu, am Tag aktiv zu sein«, erzählte er. Wenn man kranke Tiere aus dem Wasser hebt, lassen sie häufig die Scheren hängen und wehren sich nicht. Gefundene tote Krebse werden in einem Labor in Stuttgart untersucht, um festzustellen, ob sie krank waren.
Sind die Dohlenkrebse überhaupt noch retten? Da herrscht bei Experten eher Skepsis. »Das Seuchengeschehen ist sehr dynamisch - es kann sein, dass sich die Seuchenfront in einem Monat über 100 bis 200 Meter flussaufwärts ausbreitet«, berichtete Dominik Geray von der Fischereibehörde des Regierungspräsidiums.
Auch Krebssperren, die das Wandern von Krebsen flussaufwärts verhindern sollen, konnten daran bisher nichts ändern. »Wir müssen damit rechnen, dass der Bestand der Dohlenkrebse in der Brugga ausgelöscht wird«, meinte Geray. Ganz hoffnungslos sei die Lage nicht, denn später könnten die Dohlenkrebse aus intakten Seitengewässern wieder einwandern und in der Brugga einen neuen Bestand bilden.
Die pilzähnlichen Krebspest-Erreger stammen nachweislich vom eingewanderten Kamberkrebs. Es ist aber unklar, ob die aus Nordamerika stammenden Krebse überhaupt in dem Gewässer sind. »Es wurden bisher nie amerikanische Krebse in der Brugga gefunden«, sagte Biss.
Sogenannte Krebspest-Sporen wurden wohl von Anwohnern eingeschleppt - so lautet die Vermutung. Kamberkrebse gibt es beispielsweise im Opfinger See westlich von Freiburg. Eine Übertragung ist über Gegenstände möglich, die mit kontaminiertem Wasser in Kontakt gekommen sind, wie Gummistiefel, Kescher und Reusen. Auch am feuchten Fell von Hunden oder Gefieder von Wasservögeln können Sporen in ein Gewässer eingeschleppt werden. Das Betretungsverbot für die gesamte Brugga und deren Nebenarme gilt bis Jahresende.
Schweizerisches Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zu Krebspest
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