Mit ausladenden Kostümen hat Oskar Schlemmer Balletttänzer in Szene gesetzt und den Blick des Betrachters auf einzelne Körperteile gerichtet: Er arbeitete in Bildern, Kostümen, Skulpturen und grafischen Arbeiten vor allem mit Formen. Unter dem Titel »Moved by Schlemmer. 100 Jahre Triadisches Ballett« zeigt die Stuttgarter Staatsgalerie von Sonntag an die titelgebenden, aus den 1920er-Jahren erhalten gebliebenen Original-Figurinen des Künstlers. Sie werden in stilistisch vollkommen unterschiedlichen, wenngleich nicht selbsterklärenden Installationen der drei zeitgenössischen Künstlerinnen Haegue Yang, Kalin Lindena und Ulla Brandenburg interpretiert.
Schlemmers Ballett gilt wegweisend für die Tanzkunst. Denn mit dem klassischen Tutu-Ballett hat sein Avantgardetanz nicht viel zu tun. Starre Kostüme zwingen zu marionettenhaften Bewegungen, Tanz wird zur geometrisch-mathematischen Angelegenheit. Beim »Triadischen« (griechisch für »Dreiklang«) tanzen eine Tänzerin und zwei Tänzer in einst insgesamt 18 farbigen, metallischen Kostümen aus ungewöhnlichen Materialien wie Stahlblech, Sperrholz oder Draht und mit Namen wie »Rundrock«, »Spirale« oder »Goldkugel«. Neun der Figurinen sind noch erhalten, sieben davon sind seit 1979 im Besitz der Staatsgalerie.
»Die Ausstellung geht der Frage nach, welche Relevanz Schlemmers Werk für die Gegenwartskunst hat«, teilte die Staatsgalerie vorab mit. Es wird auch ein Blick geworfen auf die Rezeptionsgeschichte der sogenannten Figurinen und auf den Einfluss des Balletts auf die heutige Musik und Mode, auf Designer wie den im Januar gestorbenen Thierry Mugler, auf die Alternative-Rock-Band Smashing Pumpkins oder auf David Bowie.
Schlemmer (1888-1943) gilt als einer der vielseitigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Der gebürtige Stuttgarter arbeitete nicht nur als Maler und Bildhauer, sondern auch als Bühnengestalter. In seinen Werken thematisiert er - wie auch im »Triadischen Ballett« - vor allem die Stellung der menschlichen Figur im Raum. 1922 im Württembergischen Landestheater in Stuttgart uraufgeführt, schwankte das Publikum damals zwischen Entsetzen und Euphorie.
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