Logo
Aktuell Krawall

In Stuttgart wird für das Wochenende aufgerüstet

Polizei und Stadt bereiten sich vor: Wie wird der nächste Sommerabend wieder sicher?

Einst war eine Sondertruppe in der Innenstadt unterwegs.  FOTO: DPA
Einst war eine Sondertruppe in der Innenstadt unterwegs. FOTO: DPA
Einst war eine Sondertruppe in der Innenstadt unterwegs. FOTO: DPA

STUTTGART. Es wird gehörig aufgerüstet. Achim Böskens, der Leiter der Ermittlungsgruppe Eckensee, bekommt sein Personal nun fast verdoppelt. In der Ermittlungszentrale im ersten Stock des Polizeipräsidiums auf dem Pragsattel laufen die Informationen und Erkenntnisse von nunmehr 75 Beamten zusammen – zuvor waren es 40.

Nach den Ausschreitungen und Plünderungen am Wochenende in der Innenstadt muss viel ausgewertet werden – und da wird nicht gekleckert, es wird geklotzt. Offenbar der Bedeutung entsprechend ist es auch nicht die Stuttgarter Polizei, sondern ungewöhnlicherweise der Innenausschuss des Landtags, der die Aufstockung per Pressemitteilung verkündet – und dazu noch weitere Ermittlungsergebnisse. Man habe einen weiteren Tatverdächtigen festgenommen.

Einst hochgelobt

Bei dem jungen Mann, der im Amtsgericht am Neckartor einem Haftrichter vorgeführt wird, handelt es sich um einen 15-Jährigen. Deutscher Pass, Migrationshintergrund, aus Stuttgart. Ihm wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen: »Er soll sich an den Plünderungen beteiligt und aus einem der Läden etwas gestohlen haben«, sagt Polizeisprecherin Monika Ackermann. Die Beweise waren offenbar so klar, dass die Staatsanwaltschaft Haftbefehl beantragte. Den zehnten. Der Richter schickte ihn hinter Gitter.

Bei den bisher 26 Beschuldigten handelt es sich nach bisherigen Angaben um 13 Personen mit deutschem Pass, die meisten mit Migrantenhintergrund, die andere Hälfte hat afghanische, irakische, somalische, polnische, kroatische, portugiesische und lettische Wurzeln. Die meisten waren alkoholisiert – mit bis zu 2,34 Promille.

Während der 15-Jährige vor dem Haftrichter steht, ist auch das Rathaus im Alarmmodus. Im Großen Sitzungssaal hat sich ein sogenannter Runder Tisch unter Vorsitz von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) getroffen, um mit Gastronomen, Einzelhändlern und Sozialarbeitern zu beraten, wie man das nächste Wochenende und die Sommerabende absichert. Mit in der Runde ist auch Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU), der kurz vor seinem Ruhestand vor den Scherben einer einst hochgelobten Sicherheits- und Integrationspolitik steht. Während seiner Karriere als Bürgermeister und davor als Stuttgarter Polizeipräsident waren viele Kooperationen zwischen Stadt und Polizei etabliert worden. Sicherheit war unter OB Wolfgang Schuster zur Chefsache geworden, mit einer eigenen Stabsstelle für Kommunale Kriminalprävention. Ein Netzwerk mit kurzen Wegen. Es soll sich aber manches abgenutzt haben: »Eine Zweckgemeinschaft«, sagt ein Insider.

Die Polizei hatte im Februar 2016 zusammen mit der Bundespolizei für die Innenstadt eine Sicherheitskonzeption Stuttgart, kurz SKS, entwickelt – eine Sondertruppe aus zusätzlich 70 bis 100 zumeist jungen Beamten, die in der Stadt Präsenz zeigen und im Bereich Schlossplatz, Hauptbahnhof, Klettpassage oder Europaviertel aufflackernden Ärger eindämmen sollte.

Und dann das: Innenminister Strobl (CDU) bietet Stuttgart, die sich als eine der sichersten Großstädte bezeichnet, eine Sicherheitspartnerschaft mit dem Land nach dem Vorbild Freiburg oder Heidelberg an – und Schairer muss vor laufender Fernsehkamera erklären, dass man die formale Partnerschaft »sehr gerne« annehme. Plötzlich soll Freiburg der Leuchtturm sein?

Mit Forderungen verknüpft

Dabei ist das Freiburger Netzwerk im Prinzip kein wesentlich anderes als die vielen Sicherheitspartnerschaften und Integrationsprojekte, die Stuttgart seit Jahrzehnten betreibt. Strobl verknüpft sein Angebot freilich mit Forderungen – nach einem Alkoholverbot, nach Video-Überwachung, nach Platzverboten. Doch es muss schnell gehen – auch im Rathaus läuft nun alles im Alarmmodus. »Wir haben eine neue Lage«, sagt Stadtsprecher Sven Matis, ehe die Teilnehmer des Runden Tisches im Sitzungssaal verschwinden, »und deshalb haben wir auch die Sicherheitspartnerschaft jetzt neu begründet und gefestigt«. Alkoholverbote waren früher schon diskutiert worden – doch da geht es nicht nur um einen Rechtsrahmen. »Es geht auch um die Umsetzbarkeit«, sagt Stadtsprecher Matis. (GEA)