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In Stuttgart sind die Respektlotsen unterwegs

Zu einer Aktionswoche schickt die Stadt junge Leute als Botschafter für mehr Respekt in den öffentlichen Raum. Auch eine Konsequenz der Stuttgarter Krawallnacht.

Die Respektlotsin Fatimazahra Idkhafif (rechts) und die Bezirksbeirätin Sibylle Bopp kommen mit den Menschen schnell ins Gespräc
Die Respektlotsin Fatimazahra Idkhafif (rechts) und die Bezirksbeirätin Sibylle Bopp kommen mit den Menschen schnell ins Gespräch. FOTO: ROTHACKER
Die Respektlotsin Fatimazahra Idkhafif (rechts) und die Bezirksbeirätin Sibylle Bopp kommen mit den Menschen schnell ins Gespräch. FOTO: ROTHACKER

STUTTGART. Am Freitagabend ist am Feuersee im Stuttgarter Westen »gut was los«, wie Ayse Özbabacan sagt. Sie verantwortet bei der Stadt Stuttgart das Projekt »Respektlotsen«, für das sie an diesem Abend hergekommen ist. Viele junge Menschen sind am Ufer des Sees unterwegs, trinken Bier und genießen das relativ warme Wetter. Die meisten sind zu zweit oder zu dritt, fast alle ohne Maske.

Um Ayse Özbabacan versammelt sich eine wesentlich größere Gruppe: Respektlotsinnen und Respektlotsen, Bezirksvorsteher Bernhard Mellert und einige Bezirksbeiräte. Alle tragen Masken, und wer will, wird gleich zu Anfang auf das Coronavirus getestet. Die Gruppe ist zusammengekommen, weil die Respektlotsen ihren ersten Einsatz in diesem Jahr haben und die Lokalpolitiker eingeladen sind, sich das anzuschauen. Die Aufgabe: mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen und sich mit ihnen über das Thema Respekt auszutauschen.

Resultat der Krawallnacht

Fatimazahra Idkhafif macht das nicht zum ersten Mal. Die 21-Jährige war schon letzten Sommer bei den ersten Einsätzen der Respektlotsen dabei. Selbstbewusst geht sie auf zwei Frauen um die 30 zu, die es sich auf einer Bank bequem gemacht haben. Sie erklärt kurz, wer sie ist und warum es die Respektlotsen gibt. Sie wurden nach der Stuttgarter Krawallnacht 2020 ins Leben gerufen: »Seitdem suchen wir den Austausch über das Thema Respekt«, erzählt die Studentin den beiden Frauen. Die haben dazu einiges zu sagen: »Asozial« sei die Krawallnacht gewesen. Trotzdem ärgern sie sich, dass alles auf die Partyszene geschoben wurde, zu der sie sich auch zählen. »Es wurde auf alle bezogen, und dann hieß es: Das waren nur Ausländer«, empört sich eine. Idkhafif gibt ihnen recht – für sie war Rassismus ein Hauptgrund, sich in dem Projekt zu engagieren. Allgemein fehle der Respekt im Umgang miteinander, finden die beiden Frauen. Eine berichtet von einem Vorfall in der Bahn, bei dem eine ältere Frau eine andere angeschrien habe, weil diese keine Maske trug – aber ein Attest hatte. Sie sei dazwischen gegangen, »aber die meisten Menschen schauen einfach weg«.

An Sinn und Unsinn der Coronamaßnahmen entzündet sich ein Gespräch, in das sich nun auch Sibylle Bopp einschaltet, die für den Bezirksbeirat mit Idkhafif unterwegs ist. Vor allem beim Thema Impfen gehen die Meinungen auseinander: »Ich lasse mich auf keinen Fall impfen«, sagt eine der Frauen auf der Bank. Die Vorsitzende der CDU Stuttgart-West widerspricht und erklärt, warum sie sich gerne impfen lassen möchte – sie fühle sich dann sicherer. »Ich denke, es ist wichtig, überhaupt die Option zu haben«, sagt Idkhafif versöhnlich. Darauf können sich alle einigen. Am Ende bedankt sich die Impfunwillige für das gute Gespräch: »Ihr respektiert unsere Meinung.«

Genau darum geht es der Studentin: »Das war ein super Gespräch, weil auch unpopuläre Meinungen ausgesprochen wurden.« Sie geht mit Bopp weiter und spricht als Nächstes zwei Frauen um die 50 an. Auch sie haben eine klare Meinung: »Wie gehen wir denn alle miteinander um? Unter aller Sau«, findet eine. Beide ärgern sich, dass viele Leute ihren Müll liegen lassen. Ausgehend vom Thema Respekt folgt ein angeregtes Gespräch über Werte wie Ehrlichkeit, Humor und Zuverlässigkeit; es wird viel gelacht. Doch es wird schlagartig ernst, als es um Zivilcourage geht. »Wenn jemand in Not ist, sollte man hilfsbereit sein«, findet eine der Frauen. Idkhafif stimmt zu: Man sollte die Leute ansprechen und für das richtige Verhalten einstehen. »Aber man muss trotzdem aufpassen«, mahnt die Frau auf der Bank. Wenn sie dazwischen gehe, bringe die junge Frau sich vielleicht in Gefahr – sie sei schließlich hübsch.

Gewalt ist immer ein Thema

Die Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden, sei in Stuttgart größer als vor drei oder vier Jahren. »Ich will nicht vergewaltigt werden, ich bleibe abends daheim.« Ihre Nebensitzerin ergänzt: Sie sei früher um fünf Uhr morgens schwimmen gegangen, »das kannst du heute nicht mehr machen«. Sibylle Bopp geht es ähnlich, auch sie ist nachts ungern unterwegs. Fatimazahra Idkhafif hat einen Tipp: Sie fühle sich mit einem Pfefferspray sicherer. Die Respektlotsin und die Bezirksbeirätin versprechen, das Thema mitzunehmen und in Gremien anzusprechen.

Nach dem Gespräch trifft sich die Gruppe aus Respektlotsen und Lokalpolitikern wieder. Eine andere Gruppe erzählt ebenfalls, sie hätten einen Mann getroffen, der sich in der Stadt nicht überall sicher fühle. Andere haben über Herkunft und Bildung geredet oder einfach über das Projekt. Meistens sei das Feedback dazu gut, erzählt Ayse Özbabacan. »Wir können nicht an einem Abend die Welt verändern, aber den Menschen zuhören und sie für das Thema Respekt sensibilisieren.« (GEA)