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Grüne und CDU müssen Projekte aus Geldmangel strecken

»Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.« Erwin Teufels Formel nehmen sich auch die angehenden Koalitionspartner von Grünen und CDU wieder zu Herzen. Sie schauen in die fast leere Landeskasse und müssen ihre Wunschlisten zusammenstreichen.

Winfried Kretschmann spricht
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

STUTTGART. Grüne und CDU im Südwesten sind am Montagabend in die letzte Phase ihrer Koalitionsverhandlungen gestartet und haben erste haushaltspolitische Weichen gestellt. Es zeichnet sich deutlich ab, dass die künftige Koalition wegen des corona-bedingten Geldmangels viele ihrer anvisierten Projekte langsamer umsetzen kann als ursprünglich geplant.

Grün-Schwarz muss sich mit Stufenplänen behelfen

Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte am Abend der Deutschen Presse-Agentur, das hindere Grüne und CDU nicht daran, Pläne für die kommenden fünf Jahre zu schmieden. »Man kann die Dinge, die Geld kosten, eben nur machen, wenn man welches hat«, erklärte der Regierungschef am Rande der Koalitionsverhandlungen in der L-Bank in Stuttgart. »Wir machen ja einen Koalitionsvertrag für fünf Jahre. Da kann man die Agenda auflisten, auch wenn man sie im Moment noch nicht umsetzen kann, weil wir im Moment die Mittel noch nicht haben.« Man müsse zum Beispiel mit Stufenplänen arbeiten.

Keine Vorfestlegung bei Personal und Hilfen für Kommunen

In der Verhandlungsrunde am Abend beschäftigten sich die Hauptgruppe unter Leitung von Kretschmann und CDU-Landeschef Thomas Strobl mit den großen Ausgabenblöcken im Landeshaushalt: Das heißt, mit dem Personal, also vor allem den Beamten, sowie den Landeszuschüssen für die Kommunen. Dem Vernehmen nach einigte man sich darauf, vor Abschluss der Verhandlungen am Wochenende hier noch keine Vorfestlegung zu treffen. Das bedeutet zum einen, dass noch nicht klar ist, inwieweit es beim öffentlichen Dienst etwa bei der Polizei oder bei den Lehrkräften mehr Stellen geben soll. Zum anderen wollte man sich noch nicht darauf festlegen, in welchem Maß das Land den ebenfalls durch Corona geplagten Kommunen finanziell unter die Arme greift.

Kretschmann will trotzdem Projekte aufsetzen

Zuvor hatte Kretschmann gesagt, alle Vorschläge aus den zwölf Arbeitsgruppen stünden unter einem »Haushaltsvorbehalt«. Wegen der Pandemie und der wirtschaftlichen Folgen klaffen im Landeshaushalt nach den bisherigen Vorhersagen in den nächsten drei Jahren Löcher von jeweils etwa vier Milliarden Euro. Die Lage könne sich aber schnell wieder ändern, wenn die Konjunktur wieder anspringe, sagte der Grüne. »Das kann ja in zwei, drei Jahren anders sein, vielleicht auch schon in einem, dass die Steuerquellen wieder sprudeln.« Deshalb lasse man sich nicht beirren. »Das heißt: Das ist noch nicht ein Grund, jetzt nicht zu sagen, was man eigentlich für notwendig befindet, um dieses Land weiter zu entwickeln.«

Kostspielige Zukunftspläne - was ist nötig und was wünschenswert?

Die beiden Parteien wollen unter anderem schnelles Internet und den öffentlichen Nahverkehr stark ausbauen sowie mehr Polizei- und Lehrerstellen schaffen. Der Breitbandausbau soll knapp 500 Millionen Euro im Jahr kosten. Bei ÖPNV wollen Grüne und CDU den Bus- und Bahnverkehr attraktiver und günstiger machen. Das soll insgesamt mehr als eine Milliarde Euro kosten, aber die Kommunen sollen dafür eine Nahverkehrsabgabe einführen können, mit der das Programm zum Teil gegenfinanziert werden soll.

Dem Vernehmen nach hat sich die Arbeitsgruppe Inneres vor allem auf Wunsch der CDU darauf verständigt, jährlich 1400 neue Polizisten und zudem 200 weitere Experten für Cyberkriminalität und 200 neue Ermittlungsassistenten einstellen zu wollen. Die Bildungs-AG will die Qualität an den Schulen verbessern und sieht für unterschiedliche Projekte den Bedarf von mehreren hundert neuen Lehrkräften. Ziemlich sicher ist, dass Grün-Schwarz ein Sonderprogramm in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro auflegen will, um die Folgen der Corona-Pandemie für Schülerinnen und Schüler abzufedern.

Sowohl in der Grünen- als auch in der CDU-Spitze hieß es, die Arbeitsgruppen hätten vor allem Wunschlisten erarbeitet, aber sich weniger Gedanken über die Gegenfinanzierung der neuen Projekte gemacht. Es sei offensichtlich so, dass in den Arbeitsgruppen Konflikte auf diese Weise überdeckt worden seien. Nun müsse die Hauptgruppe die Prioritäten setzen.

Maut ist »out« - CDU sperrt sich

Ziemlich sicher wird es die von den Grünen angestrebte Mautpflicht für Lastwagen auf Landes- und Kommunalstraßen nicht geben. Die Grünen hatten in der Verkehrs-Arbeitsgruppe argumentiert, Lastwagen über 7,5 Tonnen verursachten große Schäden an den Straßen. Die CDU lehnte das schon in der AG ab und das wird sich dem Vernehmen nach auch in der Hauptgruppe nicht ändern. Laut »Stuttgarter Zeitung« und »Stuttgarter Nachrichten« sollte die Maut pro Jahr bis zu 200 Millionen Euro in die Landeskasse spülen. Die CDU findet aber, dass eine Lkw-Maut auf Landes- und Kommunalstraßen die Südwest-Unternehmen zusätzlich belaste und benachteilige. Denn in anderen Bundesländern gebe es eine solche Maut nicht.

An diesem Dienstag (09.30) gehen die Koalitionsverhandlungen weiter. Die Spitzen von Grünen und CDU gehen die einzelnen Themenfelder durch und bewerten die Vorschläge der Arbeitsgruppen. Zunächst sind dem Vernehmen nach die Themen Europa, Wissenschaft, Bauen und Landwirtschaft an der Reihe. (dpa)

Sondierungspapier von Grünen und CDU