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Grüne löst Debatte über Schuldenbremse aus

Was ist enkelgerechte Politik? Wenn das Land keine neue Schulden aufnimmt? Bei den Grünen gibt es einige, die das angesichts des Klimawandels anders sehen als die CDU. Die Parteivorsitzende setzt sich an die Spitze der Bewegung.

Grünen-Parteivorsitzende Lena Schwelling
Baden-Württembergs Grünen-Parteivorsitzende Lena Schwelling gibt ein Interview. Foto: Marijan Murat
Baden-Württembergs Grünen-Parteivorsitzende Lena Schwelling gibt ein Interview.
Foto: Marijan Murat

Grünen-Landeschefin Lena Schwelling hat mit ihrem Vorstoß für einen Kurswechsel in der Haushaltspolitik im Land eine heftige Kontroverse ausgelöst. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur verlangte Schwelling, dass die Landesregierung eine Ausnahmeklausel bei der Schuldenbremse nutzt, um die Verkehrswende und damit den Klimaschutz schneller voranzubringen. »Ich bin dafür, volles Rohr zu investieren. Das ist auch eine Frage von Generationengerechtigkeit.« Der Koalitionspartner CDU kritisierte den Vorstoß scharf und erklärte, die »schwarze Null« dürfe nicht ausgehebelt werden. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz will zwar im Land auch keine neuen Schulden aufnehmen, dringt aber auf höhere Zuschüsse des Bundes für den Schienenverkehr im Land.

Wie definiert man enkelgerechte Politik?

Schwelling sagte, die »schwarze Null« werde immer damit begründet, dass es für die nächsten Generationen wichtig sei, noch Spielräume zu haben. »Finanzielle Spielräume auf einem zerstörten Planeten sind aber auch nur begrenzt sinnvoll«, mahnte die 30 Jahre alte Grüne. Mit Blick auf die CDU sagte sie: »Wie man Enkelgerechtigkeit nur in finanzieller Hinsicht definieren kann, ist mir ein völliges Rätsel.« Die SPD-Fraktion lobte Schwelling für ihren Vorstoß, die FDP-Fraktion drohte hingegen mit einer Klage, sollte Grün-Schwarz versuchen, die Schuldenbremse auszuhebeln.

Doch das ist nicht absehbar: Grün-Schwarz will im Doppelhaushalt 2023/2024 keine neuen Kredite aufnehmen und sieht wegen der Belastungen durch den Ukraine-Krieg relativ wenig Spielraum für Investitionen. An diesem Montag trifft sich die Haushaltskommission unter Führung von Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne).

Schwelling: Nicht zu investieren wäre »Riesenfehler«

Die Grünen-Chefin will deutlich mehr Geld für Infrastruktur und Bahn- und Busverkehr ausgeben. »Dass wir solche Investitionen jetzt nicht tätigen, von denen wir wissen, irgendwann zahlt sich das aus, das ist ein Riesenfehler. Das kommt uns später teurer zu stehen.« Ähnlich sei es bei der energetischen Sanierung von Landesgebäuden. Zur Finanzierung schlug sie vor, eine Klausel bei der Schuldenbremse zu nutzen. »Man könnte tatsächlich sagen: Wir haben angesichts der Klimakrise eine dieser Naturkatastrophen, die den Ausnahmetatbestand bei der Schuldenbremse erlauben. Und deshalb nehmen wir mehr Geld auf, um die Klimakrise zu bekämpfen, beispielsweise im Verkehrssektor, wo immer noch wahnsinnig viele Treibhausgase ausgestoßen werden.«

Sie räumte ein, dass die Ausnahme von der Schuldenbremse schwieriger zu erklären sei als bei Corona. »Da konnte man sagen: Wegen der Krise ist das Unternehmen XY in Schwierigkeiten geraten und deshalb nehmen wir Geld auf, um das Unternehmen zu retten.« Das sei leichter nachzuvollziehen, als wenn man sage: »Wir müssen unsere Art, unterwegs zu sein, grundlegend ändern, und dafür Geld in die Hand nehmen, um die Klimakrise, die ja sehr viel langsamer und sehr viel schleichender ist, zu bekämpfen.«

CDU: Schwelling will »Feuer mit Benzin löschen«

Für die CDU kommt ein Kurswechsel nicht infrage. »Wer in Zeiten mit fast zehn Prozent Inflation immer mehr neue Schulden machen will, der löscht Feuer mit Benzin«, kritisierte CDU-Generalsekretärin Isabell Huber am Donnerstag scharf. Es komme vielmehr auf »Solidität, Verlässlichkeit und einen klaren Kurs« an. Grünen-Fraktionschef Schwarz sagte der dpa: »Die Schuldenbremse ist in der Landesverfassung verankert, und sie hat sich bewährt.« Zwar habe man in der Corona-Krise die Ausnahmeklausel in Anspruch genommen. Er mahnte aber auch: »Diese Kredite sind keine Schenkungen. Es sind Schulden, die wir zurückzahlen müssen.«

Schwellings Forderung nach deutlich höheren Investitionen in den Schienenverkehr unterstützte er, aber diese müsse sich an den Bund richten. »Wir brauchen einen Booster für den öffentlichen Verkehr.« Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) müsse dringend die Regionalisierungsmittel deutlich erhöhen. Schwarz sagte zudem: »Ich selbst bin offen für Überlegungen, die Schuldenbremse im Grundgesetz um eine Investitionsklausel zu ergänzen. Auf diese Weise können zum Beispiel Investitionen in Infrastruktur, Breitbandausbau oder ein modernes Schienennetz finanziert werden.«

Opposition weit auseinander: SPD dafür, FDP strikt dagegen

Die SPD-Fraktion begrüßte Schwellings Vorstoß für mehr Investitionen. Dafür müsse man aber nicht mal die Schuldenbremse lösen, sagte Fraktionsvize Nicolas Fink. »Die Landesregierung hat deutlich mehr Geld, als sie es zugeben will.« Schwellings Äußerungen belegten, »wie weit sich Ministerpräsident Kretschmann mit seiner Politik des konservativen Stillstands von der eigenen Partei entfernt hat«.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke äußerte den Verdacht, dass Schwelling von den Grünen in der Regierung vorgeschickt worden sei. »Nun wird die grüne Landesvorsitzende als Minenhund in die Arena geschickt, um zu testen, was passiert, wenn man eine hemmungslose Schuldenpolitik ankündigt.« Wenn es nach Schwelling gehe, würden »sämtliche Spielräume für künftige Generationen gnadenlos vervespert werden«.

© dpa-infocom, dpa:220901-99-594462/3