Stuttgart (dpa/lsw) - Die Gemeinschaftsschulen werfen den Realschulen Rosinenpickerei vor. »Die Realschulen nehmen die gesellschaftliche und pädagogische Aufgabe nicht an, jedem Kind gerecht zu werden«, sagte Matthias Wagner-Uhl, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Gemeinschaftsschulen, der Deutschen Presse-Agentur. Die Begründung der Realschulvertreter, der großen Vielfalt der Schüler und ihrer Begabungen nicht entsprechen zu können, sei nicht nachvollziehbar. »Diversität sollte an einer Schule als Bereicherung und nicht als Hemmschuh betrachtet werden.« In der Arbeitsgemeinschaft sind zwei Drittel der rund 300 Gemeinschaftsschulen im Südwesten organisiert.
Damit reagierte er auf die Forderung der Realschuldirektoren, die verbindliche Grundschulempfehlung wieder einzuführen und den Hauptschulabschluss an dieser Schulart abzuschaffen. Grund: Viele Kinder seien in den Eingangsklassen heillos überfordert und in den höheren Klassen landeten frustrierte Schüler vom Gymnasium auf der Realschule, die die Heterogenität verstärkten. Ähnliche Effekte gibt es auch an den Gemeinschaftsschulen.
Grünen-Landeschefin Sandra Detzer bekräftigte, die Grundschulempfehlung sei ein schlechter Indikator für die künftigen Bildungserfolge von Schülern. Bis zu einem Drittel der Schüler machten am Ende einen höherwertigeren Abschluss, als die Grundschulempfehlung vorgegeben hatte. »Die Erfolgsgeschichten gibt es vermehrt an Gemeinschaftsschulen, aber auch an Realschulen«, sagte sie. »Wir sind insbesondere den Grundschulen und den Gemeinschaftsschulen dankbar, dass sie zeigen: Der erfolgreiche Umgang mit Vielfalt ist machbar.«
Der Verband Bildung und Erziehung warnte davor, Realschule und Gemeinschaftsschule gegeneinander auszuspielen. »Beide brauchen die Ausstattung, damit sie ordentlich arbeiten können«, sagte Verbandschef Gerhard Brand. Wichtig seien mehr Zeit für individuelle Förderung und multiprofessionelle Teams, etwa mit Sozialarbeitern. Die Abschaffung des Hauptschulabschlusses an der Realschule sei schon allein deshalb nicht praktikabel, weil nach Schließung Hunderter Hauptschulen ansonsten dieser Abschluss nicht mehr flächendeckend angeboten werden könne.
Ein Merkmal der »Schule für alle« ist laut Wagner-Uhl, dass bessere Schüler schwächere mitziehen. »Das funktioniert glänzend, die Leistungsstärkeren profitieren ebenfalls und wachsen an der Verantwortung.« Die Gründung einer Gemeinschaftsschule sei in der Anlaufphase mit Mehraufwand verbunden. Danach gebe es für die Lehrer keine längere Vorbereitung für den Unterricht auf drei verschiedenen Niveaus, weil Aufgaben und Material im Team weitergegeben werden. »Lehrer müssen vom Einzelkämpfertum Abschied nehmen - denn im Team steigt die Qualität der Lehre.«