STUTTGART. Viele Bürger in Baden-Württemberg müssen sich einer Studie zufolge auf steigende Gebühren etwa für Müll oder Parken einstellen, bleiben bei Grund- und Gewerbesteuern aber weitgehend von Erhöhungen verschont. Im Südwesten planten 60 Prozent der Städte und Gemeinden ab einer Größe von 20 000 Einwohnern, in diesem oder im kommenden Jahr die Menschen über kommunale Gebühren und Steuern zusätzlich zur Kasse zu bitten, heißt es in einer Untersuchung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Im Bundesdurchschnitt wollen demnach sogar 68 Prozent der Städte und Kommunen ab 20 000 Einwohnern ihre Steuern und Gebühren erhöhen.
In Baden-Württemberg stünden bei diesen Überlegungen die Gebühren für Müll, für die Straßenreinigung und fürs Parken im Fokus der Überlegungen. Jede dritte Stadt oder Gemeinde (33 Prozent) wolle die Müllgebühren erhöhen, 30 Prozent der Kommunen wollten über die Straßenreinigungs- und 23 Prozent über die Parkgebühren künftig mehr Geld einnehmen.
Der Gemeindetag Baden-Württemberg, der mehr als 1 060 Mitgliedsstädte und -gemeinden vertritt, erklärte auf Anfrage dennoch, es sei »keinesfalls zu erwarten«, dass auf die Bürger »nennenswerte zusätzliche Belastungen« zukämen. Städte und Gemeinden achteten mit Blick auf die von ihnen erhobenen Gebühren und Steuern sehr darauf, die Menschen »nicht übermäßig zu belasten«.
Erhöhung in Reutlingen möglich
Ein ähnliches Ergebnis brachte eine GEA-Umfrage in der Region. "Aktuell gibt es in Reutlingen noch keine Überlegungen zu Gebühren- und/oder Steuererhöhungen", erklärte Reutlingens Finanzbürgermeister Alexander Kreher dem GEA auf Anfrage. Allerdings schränkte Kreher auch gleich ein und verwies darauf, dass sich "deutliche Mindererträge" etwa bei der Gewerbesteuer abzeichneten. Es gebe eine ganze Bandbreite von Möglichkeiten, darauf zu reagieren schrieb Kreher und nannte neben höherer Verschuldung und Einsparmöglichkeiten im Betrieb eben doch auch eine mögliche Anpassung von Steuern und Gebühren. Welcher Mix konkret umgesetzt werden soll, werde derzeit geprüft, so Kreher.
Steuererhöhungen sind in Tübingen derzeit zwar nicht geplant, erklärte Stadt-Sprecherin Sabine Schmincke gegenüber dem GEA. Allerdings seien Gebührenerhöhungen im Bereich des Parkens in der Diskussion, um den Klimaschutz voranzubringen und zu finanzieren.
Gebühren orientierten sich immer an den tatsächlich entstandenen Kosten für die jeweilige Leistung, schrieb Metzingens Finanzbürgermeisterin Carmen Haberstroh dem GEA in einer E-Mail, in der sie auch darauf verwies, dass in Metzingen deshalb zuletzt die Wassergebühren gesenkt worden seien. Weiter erklärte die Bürgermeisterin, »aktuell haben wir glücklicherweise noch keinen Einbruch bei den Steuereinnahmen. Auch können wir derzeit noch keine Aussage dazu treffen, ob wir im kommenden Jahr zusätzliche Einnahmen benötigen«.
Der Städtetag Baden-Württemberg, der nach eigenen Angaben 189 Mitgliedsstädte vertritt, betonte, Gebühren dienten der Finanzierung »konkreter Aufgaben« und seien damit eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme kommunaler Leistungen. »Die Kommunen sind gesetzlich gehalten, diese Kosten scharf zu kalkulieren und vollständig umzulegen. Deswegen müssen die Gebühren vor allem wegen steigender Personalkosten von Zeit zu Zeit erhöht werden.«
Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuer sind laut Studie – verglichen mit dem Bundesschnitt – in vergleichsweise wenigen Südwest-Kommunen angedacht: Lediglich 16 Prozent der Kommunen wollen an der Grund- und nur 7 Prozent an der Gewerbesteuer schrauben. Im Bundesschnitt sind es 30 Prozent bei der Grund- und 19 Prozent bei der Gewerbesteuer. Vor allem die Grund- und die Gewerbesteuer sind wesentliche Einnahmequellen für Städte und Gemeinden und können von ihnen selbst über sogenannte Hebesätze festgelegt werden.
Der Gemeindetag argumentierte, Städte und Gemeinden nutzten Einnahmen aus kommunalen Steuern, um die Infrastruktur zu erhalten und zu verbessern. Straßen, Schulen, Schwimmbäder, Sportstätten oder Büchereien würden aus diesen Einnahmen finanziert. »Dies zeigt deutlich, warum es für die Kommunen von existenzieller Bedeutung ist, dass die Grundsteuerreform bis Ende des Jahres beschlossen und diese wichtige kommunale Einnahmequelle auf sichere Füße gestellt wird«, hieß es. »Ohne die Einnahmen aus der Grundsteuer würden in vielen Kommunen wortwörtlich ›die Lichter ausgehen‹«.
Mit Blick auf höhere Gebühren und Steuern auf kommunaler Ebene sind die ausgeprägten regionalen Unterschiede auffällig. Während in Hessen (91 Prozent), Thüringen (89 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (81 Prozent) ein Großteil der Kommunen Erhöhungen der Gebühren und Steuern plane, seien es in Bayern (48 Prozent) und in Sachsen (30 Prozent) jeweils weniger als die Hälfte. Baden-Württemberg liegt in diesem Ranking im Mittelfeld. (GEA/dpa)