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Gast von Zimmer 103: Lebenslang Haft für Hotelier nach Mord

»Dauerhaft geschlossen« heißt es heute in den Reiseportalen über ein Hotel in Stuttgart, das seit einem Jahr auch ein Tatort ist. Das dürfte auch auf lange Zeit so bleiben. Denn der Betreiber hat nach Überzeugung des Gerichts seinen reichen Gast beklaut und ermordet.

Mordprozess gegen einen Hotelbetreiber
Zum Auftakt eines Mordprozesses sitzt der angeklagte Mann mit Handschellen in einem Saal des Landgerichts Stuttgart auf seinem Platz. Foto: Christoph Schmidt
Zum Auftakt eines Mordprozesses sitzt der angeklagte Mann mit Handschellen in einem Saal des Landgerichts Stuttgart auf seinem Platz.
Foto: Christoph Schmidt

Als er die ersten Sätze des Urteils erfasst, sackt der ergraute Mann auf der Anklagebank kurz zusammen, dann richtet er sich wieder auf und hört weiter zu. Zwei Stunden lang muss er Zeuge werden, wie der Richter seine Aussagen auseinanderrupft, wie er eine Behauptung nach der anderen widerlegt und wie am Ende nur die aus Sicht des Juristen kalte Wahrheit zurückbleibt. »Der erste Satz, der hinter diesem Urteil steht, heißt: Sie sind ein Mörder«, sagt der Richter zum Abschluss des sechsmonatigen Prozesses vor dem Stuttgarter Landgericht. Die Kammer ist überzeugt, dass der 47 Jahre alte Hotelbetreiber vor einem Jahr einen reichen Gast aus Habgier ermordet hat. Deshalb verurteilt sie ihn am Mittwoch zu lebenslanger Haft.

In dem Prozess in Stuttgart hatte der Mann zwar stets seine Unschuld beteuert und von Notwehr gesprochen. Aus Sicht des Gerichts hingegen brachte der 47-Jährige seinen vermögenden Dauergast am Ostersonntag des vergangenen Jahres durch zahlreiche wuchtige Schläge mit einer fünf Kilogramm schweren Hantel um, er schlug ihn mit Fäusten, würgte das bereits vollkommen wehrlose Opfer und legte die Leiche schließlich in einem Waldstück in Esslingen ab.

Das 59 Jahre alte Opfer hatte sich für ein ganzes Jahr in dem mehr schlecht als recht laufenden Hotel im Stuttgarter Stadtbezirk Untertürkheim eingemietet. Zimmer 103, die Miete von 6000 Euro zahlte er in bar. Erst kurz zuvor hatte er sein Haus verkauft, ein Konto besaß er nicht. Den Rest des Geldes, mehr als 400.000 Euro, deponierte er im Safe des Hotels, zu dem nur der Betreiber einen Schlüssel besaß.

Die Versuchung muss nach Darstellung des Gerichts zu groß gewesen sein für den finanziell angeschlagenen Deutschen: Er nahm sich demnach 110.000 Euro aus dem Safe, kaufte zum Teil Goldbarren von der Beute, deponierte einen Teil der Summe in einem Schließfach und löste zudem sein geleastes Auto aus. Weil er sich bewusst gewesen sei, dass die Tat auffliegen würde, habe er den Gast unter einem Vorwand in den Abstellraum einer Tiefgarage des Hauses bestellt, mit der zuvor dort deponierten Hantel auf ihn eingeschlagen und den Schwerletzten anschließend gewürgt. Die Leiche des Mannes wurde am Tag darauf von Spaziergängern entdeckt, erst später konnte sie über die Nummer auf einer Kontaktlinse identifiziert werden.

Mit dem Urteil folgte die Kammer der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte sich hingegen dafür ausgesprochen, ihren Mandanten nicht für den Tod des 59 Jahre alten Gastes zu bestrafen. Es sei ein spontaner Kampf gewesen, der Hotelier habe sich gegen einen unerwarteten Angriff seines Gastes gewehrt. »Ich habe das weder gewollt noch gewusst noch geplant«, hatte der Mann auf der Anklagebank in seinen abschließenden Äußerungen beteuert. »Ich hatte zu keinem Zeitpunkt keinerlei Gründe, ihm etwas anzutun.«

Allerdings schenkt das Gericht auch dieser Darstellung keinen Glauben. »Tatsächliches Bild und die Selbstdarstellung klaffen bei ihnen extrem auseinander«, ist der Richter überzeugt und wirft dem Mann vor, »in schwer erträglicher Weise« versucht zu haben, »ihre falsche und selbstbezogene Sichtweise unter die Leute zu bringen«. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Mitteilung

© dpa-infocom, dpa:230419-99-373494/3