Tausende vor dem Krieg in der Ukraine geflohene Schüler streben ein Abitur in Deutschland an, bringen aber die Voraussetzungen dafür nicht mit. Ihnen fehlt die zweite Fremdsprache neben Englisch. Hessen hat das Problem gelöst, indem es Ukrainisch als zweite Fremdsprache einführt. Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) beobachtet die Entwicklung genau: »Die übrigen Länder, auch Baden-Württemberg, verfolgen das mit Interesse.« Vorerst setzt sie auf die sogenannten Feststellungsprüfungen. Über diesen Weg können insbesondere Quereinsteiger ins Gymnasium die eigene Herkunftssprache als zweite Fremdsprache anerkennen lassen.
Ihr sei wichtig, neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern den Einstieg ins Schulsystem zu erleichtern und mitgebrachte Kenntnisse und Fähigkeiten wertzuschätzen, sagte Schopper. Ukrainerinnen und Ukrainer bringen oftmals neben dem Ukrainischen nur Kenntnisse in Englisch mit. In Deutschland müssen sie dann in kurzer Zeit Deutsch lernen. Zusätzlich müssten sie eine weitere Fremdsprache wählen, die für die gymnasiale Oberstufe gebraucht wird. Deshalb sei eine Entlastung geboten.
Fast 33.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine besuchen Schulen im Südwestern. Die größte Gruppe stellen die mehr als 10.000 Grundschüler, gefolgt von gut 5000 Schülern an Gemeinschaftsschulen und 4000 an Realschulen. Im beruflichen Schulwesen sind 3800 junge Ukrainer untergekommen, an Hauptschulen 3000. An Gymnasien drücken nach weiteren Angaben des Ressorts 3700 die Schulbank.
Grund für den hessischen Vorstoß ist nach Angaben des Wiesbadener Kultusministeriums die Entwicklung, dass immer wieder ukrainische jugendliche Kriegsflüchtlinge mangels einer zweiten Fremdsprache vom Gymnasium etwa an eine Realschule wechseln und damit zunächst auf das Abitur verzichten. Zwar gebe es auch in anderen Bundesländern einzelne Sprachangebote für Ukrainisch an Schulen, aber nicht als reguläre zweite Fremdsprache.
An den Südwestschulen kann bei Eintritt in die Klassen 7 bis 10 des Gymnasiums die Herkunftssprache eine der vorgeschriebenen Pflichtfremdsprachen ersetzen. Bedingung ist, dass es organisatorisch und personell möglich ist, den Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler in jedem Schuljahr schriftlich zu überprüfen. Das Ergebnis der Tests wird als für die Versetzung relevante Note in das Zeugnis aufgenommen.
Die Feststellungsprüfungen werden für Quereinsteiger ab Klasse 7 angeboten. Das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler, die in die 5. oder 6. Klasse des Gymnasiums eintreten, von diesem Angebot nicht profitieren können, da sie ganz regulär die in Klassenstufe 6 einsetzende zweite Fremdsprache von Beginn an in der Schule erlernen können. In diesem Schuljahr gab es nach Auskunft des Ministeriums bereits 870 Feststellungsprüfungen in Ukrainisch.
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